Kant: AA XII, Briefwechsel 1799 , Seite 290 |
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01 | Theurung der Lebensmittel ist hier daher sehr groß und die Gemüse | ||||||
02 | müßen fast mit Geld aufgewogen werden. Der Grund davon liegt | ||||||
03 | zum Theil in der Unterhaltung der Preußischen Demarcations=Linie | ||||||
04 | aus den hiesigen Landen, dann aber vorzüglich in dem Englischen | ||||||
05 | Kreutzuge gegen Holland, wo das Land durch die Last Lebensmittel | ||||||
06 | zur Armee zu liefern, geplündert ward. Dieses erstreckte sich sogar | ||||||
07 | bis auf die jungen Cartoffeln, die ausgerissen wurden, um der Armee | ||||||
08 | Unterhalt zu verschaffen. Die vielen und großen Fallissements in den | ||||||
09 | großen Handels=Oertern eußern auch schon ihre nachtheiligen Folgen | ||||||
10 | in den kleinern Städten, wo nicht nur allgemeines Mistrauen und Unsicherheit | ||||||
11 | des Eigenthums herrscht, sondern auch schon das baare Geld | ||||||
12 | zu verschwinden anfängt. | ||||||
13 | Auf der hiesigen Universität indeß, gehet alles seinen alten Gang | ||||||
14 | fort, ohne sich eben an die äußern Zeitläufte zu kehren. Im Herzen | ||||||
15 | ist man über das Glück der Coalition äußerst besorgt und wenn man | ||||||
16 | sich über den Verlust der Franzosen auch äußerlich freuen muß (: denn | ||||||
17 | so will es die geheime Polizey :): so giebt doch das Verfahren der | ||||||
18 | Russen und Oestreicher mit Turin und Pavia für die Zukunft einen | ||||||
19 | solchen Prospect; daß Heyne schon jetzo in seinen Programmen gegen | ||||||
20 | dieses System zu Felde ziehet, und Stäudlin die Nichtexistenz des | ||||||
21 | Atheismi in der critischen Philosophie zu verfechten suchet. | ||||||
22 | Unsere Iuristen sind gut; allein was über das Corpus Juris | ||||||
23 | Justinianeum, Canonicum & Germanicum auch hinnausgehet, das ist | ||||||
24 | ihnen eine Sünde. Die hiesigen Theologen lassen sich dann und wann | ||||||
25 | noch wohl einfallen, von dem Buchstaben der heiligen Schriften abzugehen. | ||||||
26 | Aber für diesen Vorwiz läßt Hanover sie auch schwer büßen. | ||||||
27 | Von den Medicinern weiß man selbst nicht recht, was man von ihnen | ||||||
28 | halten soll. Manche lassen ihre Kranke so roboriren, daß sie vor lauter | ||||||
29 | Gesundheit an Obstructionen sterben; manche lassen sie zu Tode purgiren | ||||||
30 | und so bringt man sie denn, je nachdem sie sich zu diesem oder | ||||||
31 | zu jenem System bekennen, in diese oder jene Classe. | ||||||
32 | Die Philosophie, in so fern sie sich mit Anschauungen a priori beschäftigt, | ||||||
33 | auf Gegenstände der Erfahrung, auf Geschichte und Humaniora | ||||||
34 | gehet, wird hier mit vielem Fleiße getrieben, wozu aber die | ||||||
35 | schöne hiesige, und fast einzige Bibliotheck sehr viel beytragen mag und | ||||||
36 | vieleicht das Sammeln als Verdienst angerechnet werden dürfte. Was | ||||||
37 | aber die Philosophie aus Begriffen angehet: so siehet es damit hier | ||||||
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