Kant: AA XII, Briefwechsel 1799 , Seite 280

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 mit einigen Zeilen, zu unterbrechen. Es ist eine so drückende und      
  02 schmerzliche Empfindung, wenn ich denken muß, daß ich vielleicht das      
  03 anfänglich so gütig geäußerte Wohlwollen eines Mannes wie Sie      
  04 gegen mich verscherzt habe. In diesem Zutrauen auf Ihre wohlwollende      
  05 Nachsicht schrieb ich vor ohngefähr einem halben Iahre einen sehr      
  06 langen Brief an Sie, welchem ich zugleich einige Abhandlungen von      
  07 mir beifügte, um vielleicht ein prüfendes Wort darüber von Ihnen zu      
  08 erhalten. Ich hätte so gern über die in jenem Briefe enthaltenen      
  09 Vorstellungen irgend ein Urtheil, wäre es nun Aufmunterung oder      
  10 Tadel gewesen, von Ihnen gehört. Noch jezt interessiren mich diese      
  11 Ideen, und ich bin ungewiß, ob nicht vielleicht das ganze Päkchen      
  12 verloren gegangen seyn könnte, welches mir um so unangenehmer seyn      
  13 würde, da ich weder eine Abschrift von dem Briefe genommen, noch      
  14 sonst die darin enthaltenen Gedanken aufgezeichnet habe. Deswegen      
  15 fügte ich dem Briefe zugleich den Wunsch bei, ihn, wenn Sie den      
  16 Inhalt nicht ganz verwerflich finden sollten, mit Ihrem gütigen Urtheile      
  17 wieder zurück zu erhalten. Ich weiß nicht, ob ich nun jezt zu      
  18 viel bitte, wenn ich mich an Ihre wohlwollende Güte wende, um vielleicht,      
  19 wenn es Ihnen möglich ist, einige beruhigende Zeilen von      
  20 Ihnen zu erhalten. Sie wissen es selbst, wie viel Ihr Wort bei allen      
  21 Ihren Schülern gilt, und ich mögte Sie gern überzeugen, daß es vor      
  22 allen mir ehrwürdig ist, der ich eine so gütige Aufnahme von Ihnen      
  23 erfuhr. Vielleicht wagte ich eine zu große Bitte, indem ich Ihnen      
  24 zumuthete, jenen langen Brief durchzulesen; aber auch mein würdiger      
  25 Lehrer, der Prof. Reil in Halle, munterte mich auf, den Brief abzuschicken,      
  26 indem er dem Inhalte gröstentheils beistimmte. Am meisten      
  27 vermogten mich indessen dazu doch die öftern Unterredungen mit      
  28 meinem geschäzten Freunde, dem Prof. Beck in Halle, der Sie persönlich      
  29 kennt, und mir durch diese Kenntnis ein so warmes Vertrauen      
  30 zu Ihnen einflößte.      
           
  31 Ihre Stunden sind mir zu ehrwürdig, als daß ich länger Sie unterbrechen      
  32 dürfte. Ich empfehle Ihrem prüfenden Blicke meine kleinen      
  33 Arbeiten, und freue mich, mich zu Ihren Schülern zählen zu dürfen.      
           
  34 Mit unbeschränkter Hochachtung und Ehrfurcht bin ich      
           
  35   Ihr      
  36   dankbarst verbundener Schüler      
  37   C A Wilmans      
           
           
     

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