Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 170 |
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01 | gehe nämlich mit einer Arbeit um, die aber künftige Ostern erst | ||||||
02 | herauskommen kann. Oder, möchte sich nicht Herr Hofprediger Schultz | ||||||
03 | entschliessen, selbst einen Aufsatz, der bloß die Hauptmomente des critischen | ||||||
04 | Idealisms auseinandersetzte, zu verfertigen und Retractationen | ||||||
05 | meiner Arbeit, von mir, als einen zweyten Theil eben dieser Schrift | ||||||
06 | aufzunehmen (so wie Herr Hindenburg in der verlaufenen Michäelis | ||||||
07 | Messe die Schrift: Der polynomische Lehrsatz, das wichtigste Theorem | ||||||
08 | der ganzen Analysis, neu dargestellt von Klügel, Kramp, Pfaff, Tetens | ||||||
09 | und Hindenburg, herausgegeben hat)? Keiner dürfte die Arbeit des | ||||||
10 | andern vor dem Druck gesehen haben. Ich denke eine solche von zwey | ||||||
11 | Männern, mit Ernst und Wahrheitsliebe abgefaste Schrift, von denen | ||||||
12 | jeder die Sache auf die ihm eigene originale Art ansieht, müßte nützlich | ||||||
13 | werden. Ich will doch nicht hoffen, daß der gute Mann diesen | ||||||
14 | Vorschlag übel aufnehmen werde. Denn vor 10 Iahren war ich freylich | ||||||
15 | sein Schüler, bin aber jetzt selbst ein Mann, habe auch in dem | ||||||
16 | besondern wissenschaftlichen Gebiet, das er betreibt, nach vielen Richtungen | ||||||
17 | hin mich umgesehen und glaube der Achtung meiner Mitmenschen | ||||||
18 | nicht unwerth zu seyn. Wenn Sie in wenig Worten mir Ihre Meynung | ||||||
19 | mittheilen wollten, so würde mir das sehr angenehm seyn. | ||||||
20 | So wie ich Ihren Brief erhielt, theilte ich ihn meinem würdigen | ||||||
21 | Freunde dem Prof. Tieftrunk mit. Er hatte den Einfall daß es gut | ||||||
22 | wäre, wenn Sie auch die Art, wie ein Anderer meine Bemühung im | ||||||
23 | Standpunct aufnehme, sich sagen liessen und ich dankte ihm für sein | ||||||
24 | freundschaftliches Anerbieten, dieserwegen an Sie zu schreiben. | ||||||
25 | Und nun, mein ewig verehrungswürdiger Lehrer, mir müssen Sie | ||||||
26 | dieser Geschichte wegen, Ihr Wohlwollen nicht entziehen. Wahrlich | ||||||
27 | das würde mich kränken, der ich für die Sache der Philosophie zu | ||||||
28 | leben wünsche. Ich denke daß in diesen Angelegenheiten man ruhig | ||||||
29 | jeden, von dem man sieht, daß er es bieder meynt, seinen Weg gehen | ||||||
30 | lassen müsse. Mit der innigsten Hochachtung bin ich ganz | ||||||
31 | der Ihrige | ||||||
32 | Beck. | ||||||
33 | Von Herrn Schlettweins Existenz weiß ich gar nichts mehr, als | ||||||
34 | daß mir ahndet, daß ein Iournal unter seinem Namen da sey. Was | ||||||
35 | Sie in der Lit. Z. ihn betreffendes haben einsetzen lassen, habe ich | ||||||
36 | noch nicht gelesen. Daß dieser Rotomontadenmacher Sie veranlassen | ||||||
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