Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 130

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Weisen Lehren und mit der strengsten Erfüllung derselben dancken      
  02 kann. Ich bin der Sohn eines unglücklichen aber rechtschaffenen Vaters,      
  03 der mir bey seinen Tode nichts als erhabne Begriffe von Weisheit      
  04 und unerschütterlicher Tugend hinterließ, er ward mir nur leider zu      
  05 früh geraubt, als daß er mich auf den rauhen Weg zu diesen edlen      
  06 Ziele hätte begleiten und mit seinen väterlichen Rath unterstüzen      
  07 können. Er ist bereits 6. Iahre todt und ich leider durch keinen      
  08 weisen, gütigen Rath unterstüzt irre einsam und suche vergebens das      
  09 was ich nicht finde, und deßen Erhabenheit mir doch immer vor Augen      
  10 schwebt, und werde es nimmer finden, wenn ich meine Zuflucht nicht      
  11 zu einen edlen Weisen und Biedermann nehme, deßen Vertrauen ich      
  12 mich würdig zu machen suche. Verehrungswürdigster Greis! o! erhören      
  13 Sie meine Bitte seyn Sie mein Führer und Rathgeber, und beglücken      
  14 Sie mich immer mit den hohen Bewustseyn, den Edelsten, und Weisesten      
  15 gefunden zu haben. ach ich will Ihnen gern mein Herz aufschließen,      
  16 keiner meiner innersten und verborgensten mir bewusten Fehler und      
  17 Triebe soll Ihnen verborgen bleiben, und ob ich gleich das Glück nicht      
  18 haben kann Ihren Unterricht mündlich zu genießen, so sollen doch die      
  19 wenigen Worte die Sie mir schriftlich mittheilen können tief, tief, in mein      
  20 Herz gegraben, und unausrottbar seyn, und sollte ich wirklich nimmer      
  21 mehr das Glück haben können Ihnen meinen innigsten Dank mündlich      
  22 zu erkennen zu geben sollte mir das Schicksal dieses Glück nicht gönnen,      
  23 so will ich wenigstens einst wenn Sie nicht mehr sind Ihren Hügel      
  24 aufsuchen, und da Thränen des innigsten Danckes, dem Mann weihen,      
  25 welchen ich mein ganzes Glück hier, und gewiß auch einst in höhern      
  26 Sphären zu verdancken habe, aber ach! ich weis nicht einmal ob Sie      
  27 jezt noch leben, ich weis nicht ob dieser Brief der die Grundlage      
  28 meines Glücks seyn soll, das Glück hat in Ihre Hände zu kommen!      
  29 da es mir ohnmöglich ist etwas gewißes zu erfahren, daher auch die      
  30 besondere Anmerkung außen an meinen Brief damit er, wenn Sie      
  31 Verehrungswürdigster nicht mehr wären und nicht zu meinen besten      
  32 würken könnten nicht erst erbrochen werden darf, verzeihen Sie mir      
  33 diese besondere Anmerkung welche eigentlich die Nothwendigkeit erfordert,      
  34 wenn dieser Brief denn ungelesen bleiben soll. Aber ich schwebe      
  35 doch in der süßen Hofnung daß die Vorsehung mir meine Bitte gewähren      
  36 und dem Mann, der noch zu vieler Tausend besten wirken      
  37 kann, auch noch für mich, noch lange erhalten wird. O! welches      
           
     

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