Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 126 |
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01 | er hier und wird nicht angestellt, sich seiner Würde bewußt, verachtet | ||||||
02 | er alle die Schleichwege, die ihn zu einem Posten führen könnten, er | ||||||
03 | leidet lieber alles Ungemach, welches seine brave Frau gerne mit ihm | ||||||
04 | theilet, und schränkt sich so sehr ein als möglich, um nur nicht nach | ||||||
05 | Maximen handeln zu dürfen, die mit der Sittlichkeit im Widerspruch | ||||||
06 | stehen. | ||||||
07 | Was mich als Staatsbürger betrift, so befolge ich treulich den | ||||||
08 | Vorschriften der Vernunft die Sie so vortreflich in der Abhandlung | ||||||
09 | "was in der Theorie richtig ist, gilt nicht für die Praxis", aus einander | ||||||
10 | gesezt haben. Sie haben nichts zu befürchten, daß ich vielleicht | ||||||
11 | durch Misverstehen auf Abwege gerathen könnte, ich habe kein | ||||||
12 | Talent zu tiefsinnigen Spekulationen, aber Einsicht genug um Warheiten, | ||||||
13 | die aufs Praktische Beziehung haben, nicht zu verfehlen, mit | ||||||
14 | Ungeduld warte ich auf die Metaphisik des Rechts und die Tugendlehre, | ||||||
15 | wo ich glaube über mehrere Gegenstände, die mir bisher dunkel | ||||||
16 | geblieben, Licht zu erhalten. | ||||||
17 | Madame Kampe hatte mir aufgetragen, Ihnen unbekannter | ||||||
18 | Weise ein Kompliment zu machen, welches ich auch in meinem ersten | ||||||
19 | Briefe bestellt. Kurz vor Ihrer Abreise haben wir in Gesellschaft | ||||||
20 | mehrerer Berliner Damen auf Ihre Gesundheit getrunken, ich habe es | ||||||
21 | der Gesellschaft versprochen, Ihnen davon Nachricht zu geben, und erfülle | ||||||
22 | nun mein Versprechen, auch Damen schäzzen den Weisen, der | ||||||
23 | ohne Menschenfurcht Lehren der Warheit verkündigt. | ||||||
24 | Herr la Garde behandelt mich in Rücksicht der Empfelungen die | ||||||
25 | Sie mir mitgegeben sehr freundschaftlich, er hat sich nach Ihrem Befinden | ||||||
26 | sehr genau erkundigt, und nimmt an allem was Sie betrift, | ||||||
27 | lebhaften Antheil. | ||||||
28 | Die Berliner im Ganzen sind mit meinem entworfnen Plane | ||||||
29 | zufrieden, ich werde von einigen unterstüzt; um diesen gutgesinnten | ||||||
30 | Menschen, so wenig als möglich, beschwerlich zu seyn, habe ich mich | ||||||
31 | auf fünf Thaler monathliche Ausgabe eingeschränkt, ich muß mich | ||||||
32 | freilich kümmerlich genug behelfen, indem ich damit Quartier, Eßen, | ||||||
33 | Wäsche und Licht besorge, indeßen beruhige ich mich, weil ich überzeugt | ||||||
34 | bin, daß die Bestimmung des Menschen nicht ist, beständig auf | ||||||
35 | Rosen zu tanzen. | ||||||
36 | Daß ein Schreiben von Ihnen mir äußerst angenehm seyn würde, | ||||||
37 | versichere ich Ihnen aufs feierlichste, Ihre Briefe, womit Sie mich | ||||||
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