Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 089

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ich soll das moralische Gesetz erfüllen (um der Glückseeligkeit      
  02 würdig zu werden)      
  03 Ich will glückseelig werden.      
  04 Ich kann es, ohne Gott, nicht werden.      
  05 Ich muß es aber werden können.      
  06 Also ist ein Gott      
           
  07 Der vierte von diesen Sätzen läuft mit dem Untersatze des vorigen      
  08 Schlusses auf Eins hinaus.      
           
  09 Nun glaube ich berechtigt zu seyn, nach dem Grunde des Satzes:      
  10 Ich muß glückseelig werden können, oder, die Ausübung des moralischen      
  11 Gesetzes ist möglich, zu fragen. Und diesen Grund finde ich nicht.      
           
  12 Es soll doch durch jene Gedankenreihe der Glaube an Gott, wo      
  13 nicht hervorgebracht, doch wenigstens befestiget werden. In dem Augenblicke,      
  14 da ich sage: Ich muß glückseelig werden können, glaube ich      
  15 entweder noch das Daseyn Gottes nicht, oder mein Glaube wankt noch.      
  16 In diesem Zustande muß ich es daher für möglich halten, daß kein      
  17 Gott ist und daß ich das Werk einer blindwirkenden Ursache bin.      
  18 Von einer solchen Ursache kann ich aber nicht das Mindeste hoffen      
  19 und noch weit weniger bewogen werden, zu behaupten, daß ich glückseelig      
  20 werden müße.      
           
  21 Ew. Wohlgebohr: sagen in der Critik der Urth. Kr. S. 457.      
  22 "Der Glaube an Gott ist ein Vertrauen auf die Verheißung des moralischen      
  23 Gesetzes. Denn ein Endzweck kann durch kein Gesetz der      
  24 "Vernunft geboten seyn, ohne daß diese zugleich die Erreichbarkeit      
  25 "deßelben, wenn gleich ungewiß, verspreche und hiemit auch das Fürwahr      
  26 halten der einzigen Bedingungen berechtige, unter denen unsre      
  27 "Vernunft sich diese allein denken kann."      
           
  28 Ich vermiße hier wieder den Grund zu jenem Vertrauen. Denn      
  29 wenn ich das Daseyn eines weisen und gerechten Weltregierers nicht      
  30 schon voraussetze: So habe ich hinlänglichen Grund, gegen die Einrichtung      
  31 meiner Natur mistrauisch zu seyn, und zu fürchten, daß die      
  32 blindwirkende Ursache, deren Werk ich vielleicht bin, das moralische      
  33 Gesetz mit einer Verheißung verknüpft habe, die gar nicht in Erfüllung      
  34 gehen kann.      
           
  35 Hierauf erwiedert man: daß ja dann der Mensch ein Wesen seyn      
  36 würde, welches unauflösliche Widersprüche enthielte, die seine ganze      
  37 Würde zerstörten. Dabey wird nun vorausgesetzt, daß der Mensch      
           
     

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