Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 073 |
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01 | Hand zu kennen, aus welcher sie ihm zuflossen; so viele Handlungen | ||||||
02 | der anspruchlosesten Gemeinnützigkeit, der reinsten Wahrheit= und | ||||||
03 | Tugendliebe, reden es laut, daß Kant, der Weise, der Mensch, eben | ||||||
04 | so sehr die Achtung der Welt, als, der Tiefdenker, ihre Bewunderung | ||||||
05 | seyn muß; daß er jene erhabene Sittenlehre, die er vorträgt, aus | ||||||
06 | seinem eigenen Herzen abschrieb; daß er der kategorische Imperativ | ||||||
07 | seines eigenen Systems ist. | ||||||
08 | Der sechzehnjährige Iüngling ist ein und dreißigjähriger Mann | ||||||
09 | geworden. | ||||||
10 | Aber die Gefühle der Dankbarkeit, der Ehrfurcht, der Hochachtung, | ||||||
11 | erfüllen, ungeschwächt und unvergeßlich, diese Seele: und werden nur | ||||||
12 | mit dem Herzen zugleich ersterben, welches sie so lebendig durchwallen. | ||||||
13 | Als Kosmopolit, als Mensch, als Ihr Schüler, überschaue ich, | ||||||
14 | mit jedem aufmerksamen Beobachter der Fortschritte des menschlichen | ||||||
15 | Geistes, nicht ohne den reinsten Wonnegenuß, die unschätzbaren Vortheile, | ||||||
16 | welche durch Ihre Bemühungen unserm teutschen Vaterlande, | ||||||
17 | unserm Iahrhundert, schon seit der kurzen Zeit der Verbreitung Ihrer | ||||||
18 | unsterblichen Werke, erwachsen: erwachsen sind für die Berichtigung, | ||||||
19 | Erweiterung und Vervollkommnung wesentlicher und vielleicht der | ||||||
20 | wesentlichsten Theile menschlicher Erkenntniß; und - was noch mehr | ||||||
21 | als dies sagen will - für den höheren Schwung des Denkens | ||||||
22 | und Forschens, mit welchem Sie eine so große Menge vortreflicher | ||||||
23 | Geister unter Ihren Zeitgenossen angeregt. | ||||||
24 | Die alten Fehden der Vernunft mit sich selbst sind mit einer | ||||||
25 | Unbefangenheit, einer Strenge beleuchtet, mit einem Tiefsinn durchforschet, | ||||||
26 | wie sie's in den Iahrbüchern der Philosophie noch nie waren: | ||||||
27 | sind vielleicht auf immer - entschieden. | ||||||
28 | Der herrschende Materialismus unserer philosophischen und theologischen | ||||||
29 | Moralsysteme weichet, beschämt und verwirrt, dem erhabenen | ||||||
30 | System der Würde der Menschheit: und die von je her dunkelgeahnete, | ||||||
31 | von allen edlen Herzen lebendig=gefühlte reine Gesetzgebung | ||||||
32 | der Vernunft für die Handlungen denkender Naturen, strahlet, durch | ||||||
33 | Ihren Tiefsinn geläutert von jeder fremden Beimischung, in verklärter | ||||||
34 | Glorie. | ||||||
35 | Natur= und Völker=Recht, von einigen unserer besseren Weisen | ||||||
36 | sogar einer menschheit=unterjochenden Politik gefährlich angebogen, erheben, | ||||||
37 | die Tafeln ewiger Gerechtsame in der Hand, welche der Königsberger=Lykurg | ||||||
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