Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 401 |
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01 | Aufrichtigkeit uhrsach endlich gewahn ich so viel Kraft, und | ||||||
02 | den Stein meines Herzens durch die Enttekung, mit der | ||||||
03 | seiner Liebe, dan ich genoß im besiz dießes von mir selbst | ||||||
04 | vergönten Vergnügen so wenig Ruh, als nachdem, von der verwundeten | ||||||
05 | welche mein Herz zerrißen, und mich so marterte, | ||||||
06 | wie ich's keinen Menschen wünsch, der auch seine boßheit mit einen | ||||||
07 | behaupten wolte. Indeßen verharte mein Freind in seinen | ||||||
08 | so wie Sie es in ihren Brief mir Wahrßagten, doch erßezte | ||||||
09 | er mir's in der Folge, tobelt, durch die inigste Freindschaft, welche | ||||||
10 | seiner seits glüklich mich aber doch nicht zufrieden macht, weil's | ||||||
11 | vergnügt, und nicht Nuzt, welches mir, meine hellen Augen jezt | ||||||
12 | imer vorwerfen und mich dabei eine leere fühlen machen, die sich in | ||||||
13 | außer mir erstrekt so daß ich mir fast selbst überflüßig bin. vor | ||||||
14 | hat nichts einen Reiz, auch könnte mich die Erreichung aller | ||||||
15 | mich betrefenden Wünsche, nicht Vergnügen, noch erscheint | ||||||
16 | mir eine einzige Sache der Mühe werth daß sie getahn werde, und | ||||||
17 | alles nicht aus Mißvergnügen, sondern aus der Abwegung wie | ||||||
18 | bey was guten unlauteres mitlauft, überhaubt möchte ich da | ||||||
19 | Handln vermehren, und daß unzwekmäßige vermindern | ||||||
20 | könen, welches Leztere die Welt allein zu Beschäftigen scheint, den | ||||||
21 | mir ist als wenn ich den Trieb zur Reeln Thättigkeit nur um im zuerstiken, | ||||||
22 | in mir fühlte, wen ich auch von keinen Verhältnüs gehindert, | ||||||
23 | den ganzen Tag nichts zu Handln hab, so Qäult mich eine Langeweile | ||||||
24 | mir daß Leben unerträglich macht, obwohlen ich doch taußend | ||||||
25 | so leben wolt, wenn ich denken könnt, das ich, Gott, in solcher | ||||||
26 | auch gefählig bin. Rechnen sie mir's nicht als Hochmuth | ||||||
27 | wen ich ihnen sage, daß mir die Aufgaben der Morallität, zu gering | ||||||
28 | denn, ich wolt mit grösten Eifer noch einmahl so Viel erfühlen, | ||||||
29 | sie ihr Ansehen so nur durch eine gereizte Sinnlichkeit erhaltet, | ||||||
30 | der es mich fast keine überwündung kostet solcher, Abbruch zu | ||||||
31 | daher es mir auch scheint, daß wem das Pflichtgeboth einmahl | ||||||
32 | klar geworden dem steth es gar nicht mehr frei, selbes zu übertreten, | ||||||
33 | ich müste selbst mein Sinnliches gefühl beleidigen, wenn | ||||||
34 | Pflichtwidrig handln müste, es komt mir so instincktartig vor, da | ||||||
35 | gewiß nicht das geringste Verdienst hab Morallisch zu seyn. | ||||||
36 | eben so wenig, glaub ich, kann man jene Menschen der zurechnung fähig | ||||||
37 | welche in ihren ganzen leben, nicht zum wahren selbstbewustseyn | ||||||
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