Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 393 |
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Text (Kant):
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01 | Eben dieses Verhältniß findt auch stat zwischen der Form der | ||||||
02 | Verschiedenheit und der Vorstellung des Aussereinanderseyns | ||||||
03 | im Raume. Diese kann ohne daß jene in den Objekten anzutreffen | ||||||
04 | ist, nicht stat finden. Iene ist ohne diese für uns nicht erkennbar. | ||||||
05 | Die Verschiedenheit der ausseren Erscheinungen wird nur alsdann | ||||||
06 | in Zeit vorgestellt, wenn sie in Raum nicht vorgestellt wird, und | ||||||
07 | so auch umgekehrt. Eine und eben dieselbe sinnliche Substanz (dieser | ||||||
08 | Baum z. B.) wird nicht im Raume, sondern in der Zeit, als von | ||||||
09 | sich selbst verschieden (verändert) vorgestellt. Verschiedene sinnliche | ||||||
10 | Substanzn werden als solche nicht in der Zeit (indem das Urtheil | ||||||
11 | über ihre Verschiedenheit sie in eben demselben Zeitpunkt zusammenfasst) | ||||||
12 | sondern im Raume vorgestellt. | ||||||
13 | Die Form der Zeit kömmt also nicht allen Objektn der aussern | ||||||
14 | Anschauung ohne Unterscheid zu, sondern nur solchen die nicht in | ||||||
15 | Raum vorgestellt werden, und so auch umgekehrt, die Form des Raums | ||||||
16 | kömmt nur denjenigen aussern Objekten zu die nicht in Zeit (in einer | ||||||
17 | Zeitfolge, denn das Zugleichseyn ist, wie ich dafür halte, keine | ||||||
18 | positive Zeitbestimmung, sondern bloß Verneinung einer Zeitfolge) | ||||||
19 | vorgestellt werden | ||||||
20 | Diese Betrachtungen gränzen an meiner Erörterung der transzendentallen | ||||||
21 | Tauschungen (philosophisches Wörterbuch Art. Fikzion.) | ||||||
22 | deren Beurtheilung ich von Ihnen mit dem grösten Verlangen erwarte, | ||||||
23 | womit ich Sie aber hier nicht länger aufhalten will. | ||||||
24 | Würdigster Mann! Da die von Ihnen zu erwartende Beantwortung | ||||||
25 | dieses Schreiben[s] mir von der aussersten Wichtigkeit ist, | ||||||
26 | indem sie mir die skeptischen Hindernisse im Fortschritt des Denkens | ||||||
27 | benehmen, und eine bestimte Richtung verschaffen wird; da ich mein | ||||||
28 | ganzes Leben bloß der Erforschung der Wahrheit widme, und sollte | ||||||
29 | ich auch zuweilen auf Abwege gerathen, so sind doch wenigstens meine | ||||||
30 | Fehler einer Zurechtweißung werth; so bitte ich Sie ergebenst, ja | ||||||
31 | ich beschwöre Sie bei der Heiligkeit Ihrer Moral mir diese Beantwortung | ||||||
32 | nicht zu verweigern. In deren Erwartung ich verbleibe | ||||||
33 | mit den Gesinnungen der grösten Hochachtung und innigstn Freundschaft | ||||||
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35 | Ihr Ergebenster | ||||||
36 | Salomon Maimon | ||||||
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