Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 385

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 wird. Diese Gedankenbestimmung ist aber eben dieselbe, welche die      
  02 Function in einem Urtheil ist. Auf diesem Wege ist mir der Beytrag      
  03 den die Categorie zu unserm Erkenntniß thut, faßlich geworden, indem      
  04 durch diese Untersuchung es mir einleuchtet, daß sie derjenige Begrif      
  05 ist, durch welchen das Mannigfaltige einer sinnlichen Anschauung als      
  06 nothwendig (für jedermann gültig) verbunden vorgestellt wird. Einige      
  07 Epitomatoren haben sich hierüber, so viel ich einsehe, falsch ausgedruckt.      
  08 Diese sagen: urtheilen heiße objective Vorstellungen verbinden. Ganz      
  09 was Anderes ist es, wenn die Critick lehrt: urtheilen ist Vorstellungen      
  10 zur objectiven Einheit des Bewußtseyns bringen, wodurch die Handlung      
  11 einer als nothwendig vorgestellten Verknüpfung ausgedruckt wird.      
           
  12 Wenn ich von meiner Ueberzeugung darauf schliessen kann, da      
  13 ich in meinem Auszuge Ihren Sinn getroffen, dann müßte ich mich      
  14 beruhigen. An der Darstellung der Deduction der Categorien ist mir      
  15 vorzüglich gelegen, und eine Musterung derselben von Ihnen, lieber      
  16 Lehrer, würde mir die wünschenswertheste Sache seyn. Mitlerweile      
  17 werde ich mich noch selbst über die ganze Ausarbeitung hermachen,      
  18 um ein so vernünftiges Buch hervorzubringen, als ich es noch vermag.      
           
  19 Nun erlauben Sie mir noch meine neuliche physische Frage zu      
  20 berühren. Ich habe lange, noch ehe ich recht eigentlich die Critick      
  21 studirte, in meiner mathematischen Lectüre, den zwar gegebenen, aber      
  22 mir immer sehr unverständlich vorgekommenen Begrif von Masse, mit      
  23 dem des Wirksamen vertauscht. Euler giebt nun den bestimmten Begrif      
  24 von Masse, indem er sie vis inertiae nennt, qua corpus in statu      
  25 suo perseuerare, quam omni mutationi reluctari conatur , und      
  26 indem er eine verschiedene vis inertiae den Partickeln der Materie giebt,      
  27 scheint er die ungleichen Gewichte zweyer Körper von gleichem Volumen      
  28 zu erklären, ohne zu leeren Räumen flüchten zu dürfen. Dagegen      
  29 scheint es doch auch, daß alle Theile der Materie mit einer gleichen      
  30 quantitas inertiae versehen seyn, weil die Fallhöhen derselben, in      
  31 gleichen Zeiten im Widerstandsfreyen Raum gleich sind. Dann aber      
  32 ist man wohl genöthigt, zu den leeren poris seine Zuflucht zu nehmen      
  33 um die verschiedenen Gewichte gleicher Volumina sich zu erklären. Ich      
  34 habe mir auf folgende Art zu helfen gesucht. Man setze die anziehende      
  35 Kraft der Erde in einer bestimmten Gegend ihrer Oberfläche und gegen      
  36 ein bestimmtes Volumen, das ich durchweg von Materie erfüllt seyn      
  37 lasse, sey = a; die anziehenden Kräfte zweyer Körper, von einem      
           
     

[ Seite 384 ] [ Seite 386 ] [ Inhaltsverzeichnis ]