Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 376 |
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01 | Handschrift zurück erwarteten, mir das Ende Octobris, als den gesetzten | ||||||
02 | termin, vorstellte und, bey der schnell gefaßten Entschließung den eben | ||||||
03 | nahe bevorstehenden Abgang der Post nicht zu verfehlen, es unterließ, | ||||||
04 | Ihren Brief nochmals darüber nachzusehen, und, da ich im Durchsehen | ||||||
05 | der ersten Bogen nichts Erhebliches anzumerken fand, Ihre | ||||||
06 | Deduction der Categorien und Grundsätze ihrem Schiksal in gutem | ||||||
07 | Vertrauen überließ. | ||||||
08 | Dieser Fehler kan indessen, wenn Sie es nöthig finden, doch dadurch | ||||||
09 | eingebracht werden: daß Sie diejenige Blätter, worauf jene befindlich | ||||||
10 | in der Eile abschreiben lassen, sie mir durch die reitende Post | ||||||
11 | eilig (versteht sich unfrankirt) überschicken und so noch vor Ablauf der | ||||||
12 | Zeit die Antwort von mir zurück erhalten. - Meinem Urtheile nach | ||||||
13 | kommt alles darauf an: daß, da im empirischen Begriffe des Zusammengesetzten | ||||||
14 | die Zusammensetzung nicht vermittelst der bloßen | ||||||
15 | Anschauung und deren Apprehension sondern nur durch die selbstthätige | ||||||
16 | Verbindung des Mannigfaltigen in der Anschauung gegeben | ||||||
17 | und zwar in ein Bewußtseyn überhaupt (das nicht wiederum | ||||||
18 | empirisch ist) vorgestellt werden kan, diese Verbindung und die Function | ||||||
19 | derselben unter Regeln a priori im Gemüthe stehen müssen, welche das | ||||||
20 | reine Denken eines Objects überhaupt (den reinen Verstandesbegrif) | ||||||
21 | ausmachen unter welchem die Apprehension des Mannigfaltigen stehen | ||||||
22 | muß, so fern es eine Anschauung ausmacht, und auch die Bedingung | ||||||
23 | aller möglichen Erfahrungserkentnis vom Zusammengesetzten (oder zu | ||||||
24 | ihm gehörigen) ausmacht, (d. i. darinn eine Synthesis ist) die durch | ||||||
25 | jene Grundsätze ausgesagt wird. Nach dem gemeinen Begriffe kommt | ||||||
26 | die Vorstellung des Zusammengesetzten als solchen mit unter den Vorstellungen | ||||||
27 | des Mannigfaltigen welches apprehendirt wird als gegeben | ||||||
28 | vor und sie gehört sonach nicht, wie es doch seyn muß, gänzlich zur | ||||||
29 | Spontaneität, u.s.w. | ||||||
30 | Was Ihre Einsicht in die Wichtigkeit der physischen Frage: von | ||||||
31 | dem Unterschiede der Dichtigkeit der Materie betrift, den man sich | ||||||
32 | muß denken können, wenn man gleich alle leere Zwischenräume, als | ||||||
33 | Erklärungsgründe derselben, verbannt, so freut sie mich recht sehr; denn | ||||||
34 | die wenigsten scheinen auch nur die Frage selbst einmal recht zu verstehen. | ||||||
35 | Ich würde die Art der Auflösung dieser Aufgabe wohl darinn | ||||||
36 | setzen: daß die Anziehung (die allgemeine, Newtonische,) ursprünglich | ||||||
37 | in aller Materie gleich sey und nur die Abstoßung verschiedener verschieden | ||||||
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