Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 245 |
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01 | bringen Sie freylich die Aufgabe über ihr Verhältnis zum Geschmacksurtheile | ||||||
02 | (welches nicht ein bloßes Sinnenurtheil des Angenehmen und | ||||||
03 | Unangenehmen seyn soll) der Entscheidung näher: wobey mir Ihre | ||||||
04 | Stufenleiter der Vocalen, als der einzigen Laute, die für sich selbst | ||||||
05 | einen Ton bey sich führen können, wenn sie weiter verfolgt würde, von | ||||||
06 | Erheblichkeit zu seyn dünkt; weil niemand Musik denken kan, die er | ||||||
07 | nicht zugleich, so ungeschickt es auch sey, mit zu singen vermag; wobey | ||||||
08 | denn zugleich der Unterschied zwischen dem Farben= und Tonspiele, | ||||||
09 | von denen das erstere kein solches productives Vermögen der Einbildungskraft | ||||||
10 | voraussetzt, klar einleuchtet. Allein ich habe mich jetzt | ||||||
11 | zu sehr in andere Materien hinein gedacht, als daß ich vor der Hand | ||||||
12 | mich in die gegenwärtige Untersuchung gehorig versetzen könnte. Nur | ||||||
13 | muß ich anmerken: daß, wenn ich in der Crit. d. Ukr. von Personen | ||||||
14 | redete, die bey dem besten Gehör doch nicht Töne unterscheiden konnten, | ||||||
15 | ich dadurch nicht sagen wollte, daß sie nicht einen Ton vom anderen, | ||||||
16 | sondern schlechterdings nicht den Ton vom bloßen Schalle zu unterscheiden | ||||||
17 | im Stande waren; wobey mir mein vor 4 Iahren verstorbener | ||||||
18 | bester Freund, der engl: Kaufman Hr. Green, in Gedanken war, an | ||||||
19 | welchem seine Eltern in seiner Kindheit diesen Fehler bemerkten, ihn | ||||||
20 | daher auch das Clavier nach Noten spielen lernen ließen, der aber | ||||||
21 | weder da= noch nachmals es dahin gebracht hat, daß, wenn ein anderer | ||||||
22 | nun auf dem Clavier ein ganz anderes Stück spielete oder sang, er | ||||||
23 | den mindesten Unterschied dazwischen hätte bemerken können, so da | ||||||
24 | ihm Töne ein bloßes Geräusch waren, so wie ich von einer Familie | ||||||
25 | in England irgendwo gelesen habe, daß es darinn Personen gegeben | ||||||
26 | habe, die in der Ganzen Natur nichts als Licht und Schatten antrafen | ||||||
27 | und bey den gesundesten Augen alle Gegenstände nur wie in einem | ||||||
28 | Kupferstiche sahen. Merkwürdig war es bey meinem Freunde Green, | ||||||
29 | daß dieses Unvermögen sich auch auf die Poesie erstreckte, deren Unterschied | ||||||
30 | von der Prose er niemals woran anders als, daß die erstere | ||||||
31 | eine gezwunge[ne] und geschrobene Sylbenstellung sey, erkennen konnte; | ||||||
32 | daher er des Pope Essays on Man wohl gerne las, es aber unangenehm | ||||||
33 | fand, daß sie in Versen geschrieben waren. | ||||||
34 | Ihren Betrachtungen über das, was aus dem Unterschiede der | ||||||
35 | synthetischen und analytischen Sätze für die Logik, nämlich in Ansehung | ||||||
36 | der Inversionen folgt, werde ich gelegentlich nach gehen. Für | ||||||
37 | die Metaphysik, die nicht so wohl auf das sieht, was in Ansehung der | ||||||
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