Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 139

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Erster Abschnitt      
  02 Analytik der ästhetischen Urtheilskraft      
  03 Erstes Buch      
  04 Analytik des Schönen      
  05 Zweites Buch      
  06 Analytik des Erhabenen      
           
  07 Nun kam im Manuscript Dritter Abschnitt der Analytik der      
  08 ästhetischen Urtheilskraft. Deduction der ästhetischen Urtheile; im      
  09 Zettel fehlte dieser Titel ganz. Dis paßte also gar nicht, ich habe es      
  10 so abgeändert: Drittes Buch Deduction der ästhetischen Urtheile.      
           
  11 Durch diese Fehler im Manuscript, und dadurch, daß ich bei der      
  12 Correktur vom 2ten bis 6ten Bogen krank war, und also ein anderer,      
  13 der dem Manuscripte treulich folgte, die Correktur ubernahm, ist es      
  14 auch zu meinem größten Aerger gekommen, daß im Bogen B. und noch      
  15 in einem andren, 2 den Sinn entstellende Fehler stehen geblieben      
  16 sind, die ich aber als Errata hinten anhängen werde.      
           
  17 Wie gern fragte ich Sie noch in Ansehung einiger Schwierigkeiten      
  18 um Rath, aber ich bin selbst durch dis wenige Schreiben so an      
  19 Kräften erschöpft, das ich anhalten muß, und de la Garde wartet auf      
  20 diesen Brief. Doch ganz kurz muß ich noch etwas berühren. Ich      
  21 muß in meiner Schrift von den Criterien eines wahren Moralprinzips      
  22 reden, sie sind Allgemeinheit und Nothwendigkeit. Ich habe einen      
  23 doppelten Beweis zu führen gesucht. Der eine gründet sich auf die      
  24 beiden Sätze, die selbst Hume als Grundsätze darstellt: Tugend ist      
  25 das, was von allen vernünftigen Wesen (Hume sagt Menschen) mit      
  26 Beifall begleitet wird, Laster was der Gegenstand eines allgemeinen      
  27 Tadels ist. - Der zweite beruht auf den negativen Begrif der Freiheit      
  28 Ieder, der Moralität statuirt, muß diesen negativen Begrif zugeben,      
  29 und der Theoretiker sichert die Möglichkeit desselben. Ich bin      
  30 nur besorgt, daß mir Kenner Ihres Systems beim letzten Beweis      
  31 einwenden werden, daß ich einen Cirkel begangen habe, weil man die      
  32 Freiheit erst aus dem Moralgesetze erkenne. Ich glaube aber diesen      
  33 Einwurf dadurch heben zu können, daß ich sage, dadurch daß wir annehmen      
  34 oder überzeugt sind, es giebt Moralgesetze, indem wir sehen,      
  35 daß uns unsere Vernunft gebietet, schließen wir auf Freiheit im negativen      
  36 Verstande, und sobald diese nun als datum betrachtet wird, so      
  37 kann man daraus die Beschaffenheit des ächten Grundsatzes der Moral      
           
     

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