Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 085

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ehlers und Tetens wende? Weil ich von ihnen, so sehr ich sie auch      
  02 Beyde hochschätze, fast ebenso wenig, als von einem göttingischen      
  03 Philosophen, mir diejenige Erweiterung und Aufklärung meiner      
  04 Kenntnisse versprechen kann, die ich mir von Ihrer Belehrung und in      
  05 Ihrem Umgange versprechen darf. Ich fand mich schon damals, als ich      
  06 unter ihnen die Philosophie studierte und ehe ich Ihre spätern Schriften      
  07 gelesen hatte, in Ansehung der wichtigsten Puncte unbefriedigt. Ich      
  08 fing schon damals an, an der Richtigkeit der Beweise für das Daseyn      
  09 eines höchsten Wesens zu zweifeln und wenn ichs als völlig erwiesen      
  10 annahm; so sträubte sich meine Vernunft gegen die Sätze: die Welt      
  11 hat einen Anfang; die Welt ist begränzt und endlich, weil sie dann      
  12 nicht, als Wirkung, dem Begriff einer ewigen und unendlichen Kraft      
  13 entsprach. Eben so gings mir mit dem Begriff der Freiheit, die man      
  14 aus der Erfahrung bewies. Die Causalverbindung der Dinge fand      
  15 ich ihr immer im Wege stehen; jede gegenwärtige Stimmung der      
  16 Seele mußte ich als eine nothwendige und unausbleibliche Folge der      
  17 vorhergehenden denken und daher auch alle Imputation fahren lassen.      
  18 Demungeachtet konnte ich doch den innern Vorwürfen nicht entgehen,      
  19 wenn ich die, jedem andern, als mir, verborgene Unlauterkeit in      
  20 meinem Sinn bemerken mußte, weil ich mich des Bewustseyn meiner      
  21 Freyheit, was ich mir auch aus der Erfahrung dagegen bewies, durchaus      
  22 nicht zu entledigen vermogte. Ueber das Daseyn der Körper und ihre      
  23 Erkenntniß, als ausser meiner Vorstellung für sich bestehender Dinge      
  24 entstanden auch nach und nach Zweifel. Ich sah es ein, daß ich doch      
  25 unmittelbar nichts, als meine eigenen Modificationen erkannte, und      
  26 daß diese doch nicht mit den Dingen, die sie verursachten, einerley      
  27 wären und mit ihnen verwechselt werden könnten. - Ihre Schriften      
  28 sind es indessen, verehrungswürdiger Mann, die mir über diese und      
  29 so viel andere wichtige Puncte mehr Licht angesteckt haben, als      
  30 ich je erwartete. Sie haben mich alle mit inniger Achtung gegen      
  31 ihren Verfasser erfüllt; aber keine hat so tiefe Spuren der Verehrung      
  32 und Liebe in meinem Gemüth hinterlassen, als die Critik der practischen      
  33 Vernunft. Wer sind die, die dem Verfasser desselben den Vorwurf zu      
  34 machen wagen, daß er die Tugend und Moralität untergrabe, die er,      
  35 mehr als irgend einer vor ihm, dem moralischen Gemüth zum Gegenstande      
  36 der höchsten Verehrung gemacht und wesentlich vom Laster      
  37 unterschieden? - Doch wer weiß das besser als Sie selbst.      
           
           
     

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