Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 062 |
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01 | Sache selbst, die itzt von so vielen sogenannten Prüfern so sehr verdreht, | ||||||
02 | verzerrt, und verunstaltet wird, daß das Publikum nicht wei | ||||||
03 | wie es dabey daran ist, von Wirkung seyn müsse. | ||||||
04 | Alle Ihre Verehrer sehnen sich nach einer Samlung Ihrer kleineren | ||||||
05 | Schriften, dergleichen in der berlinischen Monatschrift u. a. sind; und ich | ||||||
06 | kenne Buchhändler, die jeden in ihren Gegenden, die wenn das Gerücht | ||||||
07 | Wahrheit sagt sehr gering honoriren, den Rang ablaufen würden, | ||||||
08 | welches Sie daraus schliessen können, da mir Ihrem unbedeutenden | ||||||
09 | Schüler! für mein Buch 3 vollwichtige Louisdor für den Bogen ohne | ||||||
10 | mein Fordern angebothen sind; und doch bekomme ich blos darum so | ||||||
11 | viel, weil ich Ihre Philosophie predige. | ||||||
12 | Schiller mein Freund und wie ich nach einer innigen Bekanntschaft | ||||||
13 | mit ihm überzeugt bin der besten itzt lebenden Köpfen einer horcht | ||||||
14 | ihren Lehren durch meinen Mund. Die Universalgeschichte die er | ||||||
15 | schaffen wird, ist nach ihrem Plan angelegt, den er mit einer Reinheit | ||||||
16 | und einem Feuer auffaßte, die mir ihn noch einmal so theuer | ||||||
17 | machten. Er hat bereits seine Vorlesungen angefangen mit einem | ||||||
18 | Beyfall den hier noch keiner vielleicht in diesem Grade gefunden hat. | ||||||
19 | Er hat mich gebethen seine Person unter ihren warmsten und innigsten | ||||||
20 | Verehrern zu nennen. | ||||||
21 | Ich war diese Osterferien in Leipzig und habe meinen alten Bekannten | ||||||
22 | Herrn Plattner in einer sehr furchtsamen und verdrüßlichen | ||||||
23 | Laune, über den leidigen Gang der Philosophie, wie er sich ausdrückte, | ||||||
24 | angetroffen. Er klagt, daß die Kantianer einen gar zu argen Skepticism | ||||||
25 | einführen wollen, der alles Gute was er und seines Gleichen gestiftet | ||||||
26 | haben, so ganz zu Boden trätte; kurz der Mann hat sie gänzlich misverstanden. | ||||||
27 | Gleichwohl will er durchaus nicht unter Ihre Gegner gezählt | ||||||
28 | werden, und hat mich sogar (: NB :) gebethen, im teutschen Merkur | ||||||
29 | oder wo ich sonst könnte ihm das Zeugniß zu geben, daß er in seinen | ||||||
30 | Vorlesungen, denen ich zuweilen als ich vor 5 Iahren in Leipzig | ||||||
31 | lebte, beywohnte, mit Ehrerbietung von ihrem Werke gesprochen habe. | ||||||
32 | Ich verließ ihm dießmal mit etwas herabgestimter Meynung von seiner | ||||||
33 | theorethischen und praktischen Philosophie. An Eb. in Halle, mit | ||||||
34 | dem ich bey Semlern speiste, und den ich nicht besucht habe - fand | ||||||
35 | ich einen wahren Camäleon. | ||||||
36 | Und nun dürfte es Zeit seyn daß ich meinen langen und schwatzhaften | ||||||
37 | Brief mit der Bitte um eine Antwort beschliesse, in welcher Sie | ||||||
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