Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 043 |
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01 | Realität des Begrifs, so hier, wie allerwerts in der Geometrie, die | ||||||
02 | Definition zugleich construction des Begriffes sey. Wenn aber, nach | ||||||
03 | der aus dieser Definition gezogenen Eigenschaft dieses Kegelschnittes, | ||||||
04 | nämlich, daß die Semiordinate die mittlere Proportionallinie zwischen | ||||||
05 | dem Parameter und der Abscisse sey, das Problem aufgegeben wird: | ||||||
06 | der Parameter sey gegeben, wie ist eine Parabel zu zeichnen? (d. i. | ||||||
07 | wie sind die Ordinaten auf den gegebenen Diameter zu appliciren) | ||||||
08 | so gehört dieses, wie Borelli mit Recht sagt, zur Kunst, welche als | ||||||
09 | practisches Corollarium aus der Wissenschaft und auf sie folgt; denn | ||||||
10 | diese hat es mit den Eigenschaften des Gegenstandes, nicht mit der | ||||||
11 | Art ihn unter gegebenen Bedingungen hervorzubringen zu thun. | ||||||
12 | Wenn der Cirkel durch die krumme Linie erklärt wird, deren alle | ||||||
13 | Puncte gleich weit von einem (dem Mittelpuncte) abstehen: ist denn | ||||||
14 | da dieser Begrif nicht in der Anschauung gegeben, obgleich der practische | ||||||
15 | daraus folgende Satz: einen Cirkel zu beschreiben (indem | ||||||
16 | eine gerade Linie um einen festen Punct auf einer Ebene bewegt | ||||||
17 | wird) gar nicht berührt wird? Eben darinn ist die Mathematik das | ||||||
18 | große Muster für allen synthetischen VernunftGebrauch, daß sie es | ||||||
19 | an Anschauungen nie fehlen läßt, an welchen sie ihren Begriffen obiective | ||||||
20 | Realität giebt, welcher Foderung wir im philosophischen und zwar | ||||||
21 | theoretischen Erkentnis nicht immer Gnüge thun können, aber alsdenn | ||||||
22 | uns auch bescheiden müssen, daß unsere Begriffe auf den Rang | ||||||
23 | von Erkentnissen (der Obiecte) keinen Anspruch machen können, sondern, | ||||||
24 | als Ideen, blos regulative Principien des Gebrauchs der Vernunft | ||||||
25 | in Ansehung der Gegenstände, die in der Anschauung gegeben, aber | ||||||
26 | nie, ihren Bedingungen nach, vollständig erkannt werden können, enthalten | ||||||
27 | werden. | ||||||
28 | S. 163. "Nun kan dieser Satz (des zureichenden Gr.) nicht | ||||||
29 | anders etc." (Hier thut er ein Geständnis welches vielen seiner Aliirten | ||||||
30 | im Angriffe der Critik nämlich den Empiristen nicht lieb seyn wird, | ||||||
31 | nämlich: daß der Satz des zureichenden Grundes nicht anders | ||||||
32 | als a priori möglich sey, zugleich aber erklärt er, daß derselbe nur | ||||||
33 | aus dem Satze des Wiederspruchs bewiesen werden könne, wodurch er | ||||||
34 | ihn ipso facto blos zum Princip analytischer Urtheile macht und dadurch | ||||||
35 | sein Vorhaben, durch ihn die Möglichkeit synthetischer Urtheile | ||||||
36 | a priori zu erklären, gleich Anfangs zernichtet. Der Beweis fällt | ||||||
37 | daher auch ganz jämmerlich aus. Denn indem er den Satz des z. Gr. | ||||||
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