Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 020

     
           
 

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  01 der Zeitung angezeigt, und bin hiefür einigen meiner hiesigen Freunden      
  02 verbunden, die ohne mein Wissen mich vorgeschlagen hatten, und auf      
  03 deren Empfhelung ich ernannt worden bin.      
           
  04 Ich habe meine Abhandlungen, so wohl in der medicinischen als auch      
  05 in der speculativen Gesellschaft für diesen Winter vorgelesen. In der medic:      
  06 Gesellsch. laß ich eine Abhandlung über örtliche Entzündung, und die zweite,      
  07 über die Frage: Was ist die nächste Ursache der Fieber? Letztere erhielt      
  08 besonders sehr allgemeinen Beyfall und erregte eine Debatte, die eilf      
  09 Stunden daurete. Weil an einem Abend der Disput nicht geendigt      
  10 werden konnte: so wurde deshalb noch eine ausserordentliche Versammlung      
  11 zusammenberufen. Es waren sehr viele Ehrenmitglieder und      
  12 ausserordentliche Besucher gegenwärtig. - Ich spreche viel über jede      
  13 Abhandlung, die vorgelesen wird, u. bin so glüklich, mir den Beyfall      
  14 der Mitglieder zu erwerben. Man erweiset mir alle nur mögliche      
  15 Ehre. Ich bin's sicher nächsten Winter, wenn ich hier seyn könnte,      
  16 Praesident der Gesellschaft zu werden. Imgleichen bin ich zum Mitglied      
  17 einer Committee ernannt worden, um Versuche an Thiere u. Pflanzen      
  18 anzustellen, die nachher sollen publicirt werden. Ich für meine Person      
  19 habe gleichfalls schon verschiedene Versuche angestellt, die Bezug auf      
  20 meine Inaugural-Disputation haben. Ich schreibe nehmlich: Ueber die      
  21 Wirkung der Kälte auf thierische u. vegitabilische Körper; wodurch ich      
  22 einigen Beyfall zu erhalten mich schmeichele. - Ueberhaupt betrachte      
  23 ich die medicinische Gesellschaft, und den genauen Umgang mit den      
  24 Mitgliedern derselben, wie auch die gute Gelegenheit die man hier      
  25 hat, mit so vielen großen Aerzten umzugehen, als die Ursache, warum      
  26 Edinburgh sich die Ehre der ersten Schule für Aerzte in Europa erworben      
  27 hat. Hiezu kommt noch das gut eingerichtete Hospital, u. die      
  28 Menge öffentlicher u. Privat=Bibliotheken, von denen man Gebrauch      
  29 machen kann. Die Vorlesungen der Professoren sind gleichfalls sehr      
  30 gut, wie man nicht anders von solchen großen Männern erwarten kann.      
  31 Iedoch sind sie, woraus ich am wenigsten Nutzen schöpfe, da ich jetzt      
  32 schon weiter in der Arzeneykunde bin, als eben viel daraus lernen zu      
  33 können. - Dr Mono's Anatomie ist mir am wichtigsten. Die Medicin      
  34 hat hier eine ganz andere Gestalt, als in Königsberg, und ich fürchte      
  35 bey meiner Zurükkunft so wohl in Ansehung der Theorie als Praxis      
  36 manchen harten Kampf ausstehen zu müssen.      
           
  37 Die Absicht, die ich vormals hatte, hier zu promoviren, habe ich jetzt      
           
     

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