Kant: AA X, Briefwechsel 1788 , Seite 536 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | hiesige Universität, daß so elende Früchte auf unserm Grund und | ||||||
02 | Boden, der izt ganz ein Eigenthum seichter Schwätzer ist, erzeugt | ||||||
03 | werden können. In der That hat auch das Verderben unter den hiesigen | ||||||
04 | Studenten so überhand genommen, daß sich blut wenige finden, | ||||||
05 | welche an dem ernsthaften Studium der Mathematik und kritischen | ||||||
06 | Philosophie Geschmack gewonnen. Auch wird Ihnen Herr Hartknoch | ||||||
07 | mein Schriftchen de scientia etc. liefern. Ich bitte ia, wenn Sie es | ||||||
08 | gelegentlich lesen können, daß Sie mir gütigst Ihr strenges Urtheil | ||||||
09 | darüber eröffnen. - Diese Meße sind wieder zween neue Gegner | ||||||
10 | gegen Sie aufgetreten. Der eine ist ein gewisser Fauth, wie man | ||||||
11 | mir gesagt hat, in Tübingen, welcher hier bey Crusius Etwas über | ||||||
12 | die Causalität in Verlag gegeben hat: Der andere ist ein gewisser | ||||||
13 | Dr. Mahs in Halle, der, glaub ich, die ästhetischen Begriffe bestritten | ||||||
14 | hat. Ich habe aber zur Zeit, aus Mangel der Muße, noch keines | ||||||
15 | von beyden ansehen können. Indeß fehlt es auch nicht an denen, | ||||||
16 | welche die gute Sache in Schutz zu nehmen und zu befördern suchen. | ||||||
17 | So hat zB. Herr Prof. Wille in Altdorf Erläuterungen über die | ||||||
18 | Kritik der reinen Vernunft bekannt gemacht. Ich habe sie aber auch | ||||||
19 | noch nicht gesehen. Vermuthlich werden sie Ihnen bereits zugekommen | ||||||
20 | seyn. - Ich habe nicht nur die Uebersetzung der Kritick der speculativen | ||||||
21 | Vernunft zu Stande gebracht; ich habe auch einen guten Theil von | ||||||
22 | der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten übersezt. Ich förderte | ||||||
23 | mich um desto emsiger, da mich am Ende vorigen Iahres Herr Hartknoch | ||||||
24 | an die Vollendung dieser Arbeit erinnerte. Da ich also alles | ||||||
25 | übrige währender Zeit bey Seite gesezt und meine Zeit und Kraft | ||||||
26 | blos auf die Uebersetzung gewendet, so habe ich natürlich nichts verdienen, | ||||||
27 | und, was ich brauchte, aus anderweitigen Qvellen erhalten | ||||||
28 | können. Ich mußte daher Herrn Hartknoch um einen Vorschuß von | ||||||
29 | 130 rtlr. die ich zubezahlen habe, ersuchen. Allein ich erhielt zu zweyenmalen | ||||||
30 | abschlägige Antwort. Weil ich für ein sehr geringes Geld, den | ||||||
31 | Bogen zu 3 rtlr. zu arbeiten versprochen, da ich hiesigen Orts gern ein | ||||||
32 | honorarium von 5 rtlr. erhalten haben würde; so ist mir dieser Umstand | ||||||
33 | um soviel unangenehmer: und ich werde mich sehr bedencken | ||||||
34 | ihm den Zweyten Band den Bogen unter 5 rtlr. zu bearbeiten. Wie | ||||||
35 | ich mich nun aus obigen Gründen hierdurch in keiner geringen Verlegenheit | ||||||
36 | versezt finde, so würde mir es höchst angenehm seyn, wenn | ||||||
37 | Ew. Magnifiz Herrn Hartknoch zu einer Anweisung an seinen hiesigen | ||||||
[ Seite 535 ] [ Seite 537 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |