Kant: AA X, Briefwechsel 1787 , Seite 498

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Daß Sie jenen leidigen Brief gelesen und daraus die unphilosophische      
  02 Philosophie des zudringlichen Pfarrers kennen gelernt haben,      
  03 weiß ich; ob sie aber auch die letztgenannten Briefe gelesen, weiß ich      
  04 leider! nicht. Wüßte ichs; so dürfte ich mich nur darauf berufen, ohne      
  05 etwas mehreres von der heilsamen Revolution zu sprechen, die seit      
  06 zwey Iahren in meinem Gedankensysteme vorgegangen ist, und durch      
  07 welche Sie der größte und beste Wohlthäter, der je ein Mensch dem      
  08 andern war und seyn kann, an mir geworden sind.      
           
  09 Der von Ihnen entwickelte moralische Erkenntnißgrund der      
  10 Grundwahrheiten der Religion, das einzige Morceau das mir aus      
  11 dem ganzen in der Litteraturzeitung gelieferten Auszuge Ihres Werkes      
  12 verständlich war, hat mich zuerst zum Studium der Kritik d. r. V.      
  13 eingeladen. Ich ahndete, suchte und fand in derselben das kaum mehr      
  14 für möglich gehaltene Mittel, der unseeligen Alternative zwischen Aberglauben      
  15 und Unglauben überhoben zu seyn. Beyde Seelenkrankheiten      
  16 habe ich in einem seltenen Grade durch eigene Erfahrung kennen gelernt,      
  17 und ich weiß nicht ob ich von der letztern, von der mich die K.      
  18 d. r. V. geheilt hat, nicht eben so empfindlich gelitten habe, als von      
  19 der erstern, die ich gleichsam mit der Muttermilch eingesogen habe,      
  20 und die, in einem katholischen Treibhause der Schwärmerey, in welches      
  21 ich in meinem vierzehnten Iahre versetzt wurde, zu einer ungewöhnlichen      
  22 Heftigkeit gediehen war. Meine Freude über meine radikale      
  23 Genesung, und der Wunsch zur Verbreitung des von mir so bewährt      
  24 gefundenen, und gleichwohl von meinen Zeitgenossen zum Theil noch      
  25 so sehr verkannten Heilmittels das Meinige beyzutragen, haben die      
  26 erwähnten Briefe über die kantische Philosophie veranlasset.      
           
  27 Die gute Aufnahme, welche diese Briefe bey demjenigen Theil      
  28 des lesenden Publikums, für welchen ich sie bestimmte, gefunden, und      
  29 vornämlich die gute Wirkung die sie auf meinen vortreflichen Schwiegervater,      
  30 der soeben im Begriffe ist sich durch die Schulzischen Erläuterungen      
  31 für die C. d. r. V. vorzubereiten, gethan haben, flößten mir      
  32 bey meiner Arbeit Muth ein; und ich fragte mich zuweilen selbst, ob      
  33 es denn nichts weiter als ein süsser Traum seyn soll, wenn ich mich      
  34 berufen glaube, eine der Stimmen in der Wüste abzugeben, welche      
  35 die Wege des zweyten Immanuels bereiten sollen?      
           
  36 Ich weiß, wie viel ich begehre, indem ich Sie bitte unter meinen      
  37 Briefen wenigstens den Dritten (:im Ienner d. I.) und den Achten      
           
     

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