Kant: AA X, Briefwechsel 1787 , Seite 477

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 sich vor einigen Monaten meine Ehrfurcht für Sie, als ich eben meine      
  02 ganze Seele an Ihrer Kritik gelabt hatte, auflösete) Ihnen erst sehr      
  03 spät oder gar nicht zu Händen kommen. Für jeden Iargang pflege      
  04 ich ein Paar Männer, die Deutschland Ehre machen zum Gegenstande      
  05 meines Liedes zu wählen, heuer waren Sie es und des verdienstvollen      
  06 Prinzen von Würtemberg Durchlaucht. Erhebt diese Männer auch mein      
  07 Lob nicht: so wird doch Ihr Name einige Mal öfterer in Ehren dadurch      
  08 öffentlich genannt. Nun aber finden Sie noch eine Beilage im      
  09 Mspt, welche für mich wichtiger ist. Ich bin mit der Gesellschaft      
  10 (welche die Apologien gegen den itzt in Schwange gehenden Rezensionsunfug      
  11 und gegen die Personalienjagd, die man so sehr treibt,      
  12 herausgiebt) verbunden, auf diese Art kam mir vor dem Druk eine      
  13 Aufforderung eines Räsonneurs gegen Ihre Schriften zu Handen, die      
  14 im ersten Heft zufolge des Planes erschienen. Dagegen schrieb ich in      
  15 gedachtes Heft, welches schon in Königsberg zu haben sein wird, oder      
  16 welches ich vielleicht noch bestelle, daß es diesem Briefe in Leipzig beigelegt      
  17 wird, eine widerlegende, sehr gemäßigte (wie es der apologetische      
  18 Plan mit sich bringt) Zurechtweisung des Aufforderers. Diese erneuerte      
  19 in mir den alten Wunsch zufolge Ihrer Aeußerung in den Prolegomenen      
  20 einzelne Artikel Ihres Systems zu bearbeiten und diese Arbeit      
  21 Ihnen vorzulegen. Ihre diesfalsige Äußerung gefiel mir von jeher sehr      
  22 wol, denn es ist nichts natürlicher als daß Leute mit einander gemeinschaftlich      
  23 schwere, paradoxe Sätze prüfen; und leider nichts gewöhnlicher      
  24 als daß jeder sein System sich formt und nachher zum Märtirer drüber      
  25 werden will. Ich habe Ihre Schriften sehr studirt, bin ungemein      
  26 dafür, dennoch habe ich große Schwierigkeiten übrig, diese sollen mich      
  27 aber noch lange nicht zum Gegner machen, sondern ich will Sie Ihnen      
  28 öffentlich vorlegen, will mich immer mehr freuen, wenn Sie mich überzeugen,      
  29 als wenn ich einen Schritt mehr davon entfernt werde. Ich      
  30 denke Ihrer Seits mir hierauf Rechnung machen zu dürfen, um so      
  31 mehr, da ich doch mit der Beilage Ew. Wohlgeb. zu überzeugen gedenke,      
  32 daß ich diese und jene Ihrer Lehren nicht ohne Anstrengung      
  33 mir habe suchen eigen zu machen.      
           
  34 Die Aufforderung führte mich nun insbesondere auf die schwere      
  35 Frage der Zeit und des Raums. Indeß es war mir desto lieber; ich      
  36 konnte sie nicht ganz ins erste Heft einrüken, und wollte den Punkt,      
  37 welcher diese Frage betrift, auch vorher Ew. wolgeb. zusenden. Hiemit      
           
     

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