Kant: AA X, Briefwechsel 1786 , Seite 437 |
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01 | Anschein hat, als ob es ein Pfeil gegen Ihre Kr. sein sollte, nemlich | ||||||
02 | S. 115, wo er den Begrif eines Dinges an sich läugnet. Allein sie | ||||||
03 | ist nach meiner Meinung leicht zu berichtigen, denn Ihre Kr. räumt | ||||||
04 | HE. M. die ganze Behauptung ein, daß sich neml. kein Prädikat von | ||||||
05 | einem Dinge an sich, angeben läßt, u. weicht blos in der Folgerung von | ||||||
06 | ihm ab. Denn wenn HE. M. S. 116 sagt: "Ihr verlangt etwas zu | ||||||
07 | wissen, was schlechterdings kein Gegenstand des Wissens ist"; so sagt | ||||||
08 | er gerade das, was Sie sagen. Wenn er aber hinzufügt: "Wir stehen an | ||||||
09 | der Grenze nicht nur des menschlichen Erkenntnis, s[on]dern aller Erkentnis | ||||||
10 | überhaupt"; so sagt er offenbar etwas, was sich auf k[eine] Weise behaupten | ||||||
11 | läßt. Kurz die ganze Schrift schien mir ein recht auffallender Beweis | ||||||
12 | zu sein, daß sich über das Dasein a pr. überall nichts bestimmen liesse, | ||||||
13 | u. ich wünschte daher gleich anfanglich, es möchte jemand auftreten, | ||||||
14 | der sie, wo nicht mit so viel Schönheit, doch mit gleicher Deutlichkeit | ||||||
15 | prüfen möchte Nun kan ich nicht bergen, daß bei den vielen einsichtlosen | ||||||
16 | Vergleichungen, die ich hier u. da zwischen dieser Schrift u. Ihrer | ||||||
17 | Krit. anstellen hörte, bei dem allgemeinen Frohlocken auf der einen | ||||||
18 | u. bei dem gänzlichen Stillschweigen auf der andern Seite, mir selber der | ||||||
19 | Gedanke einkam, etwas nach meinen Kräften zur deutlichen Auseinandersetzung | ||||||
20 | beizutragen. Da ich ab[er] hörte, daß Sie selbst, dieses Geschäft | ||||||
21 | zu übernehmen Willens wären; so beschied ich mich sogleich, u. freuete | ||||||
22 | mich, daß mein Wunsch von dem sollte erfüllt werden, der es unstreitig | ||||||
23 | am besten konnte. Unterdessen setzt ich doch einiges Mistrauen in | ||||||
24 | dieses Gerücht. Denn es scheinen mir schon alle Gegengründe vollständig | ||||||
25 | in der Kritik enthalten zu sein, u. es schien mir daher mehr | ||||||
26 | nöthig dem Publikum die Gründe vorzuhalten, als sie zu erfinden. | ||||||
27 | Denn auch der angebliche neue Beweis gründet sich auf die unerwiesene | ||||||
28 | Voraussetzung, daß Dinge an sich von e. nothwendigen Wesen abhängig | ||||||
29 | s[in]d, u. daß dem Begriffe des N. W. allein der vollkommenste Verstand | ||||||
30 | entspreche. Der Beweis ist für den Fatalisten gar nichts u. thut | ||||||
31 | weiter nichts dar, als daß Erscheinungen ohne denkende Wesen nicht | ||||||
32 | möglich sind, welches allerdings zugegeben werden muß; dem ohnerachtet | ||||||
33 | schien es mir nöthig, daß es einmal ein dritter versuchte, Ihre Begriffe | ||||||
34 | nach seiner Methode vorzutragen, weil man immer noch leider! | ||||||
35 | die Kritik als ein großes Thier ansieht, das man zwar fürchtet, dem | ||||||
36 | man sich aber doch nicht anvertrauen mag. Ia die Vorliebe zu dem | ||||||
37 | alten System ist so gros, daß Philosophen von großen Talenten, wo | ||||||
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