Kant: AA X, Briefwechsel 1784 , Seite 383 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | darstellen:), Dieselben wißen aber, welch einen seltsamen Entschluß [er] | ||||||
02 | vor zwei Iahren gefaßt hatte: Über diese That, die er auszuführen im | ||||||
03 | Begrif war, hatte er ein eignes Buch geschrieben. Dieses Buch liegt | ||||||
04 | unter den übrigen Urkunden seiner Lebens=Geschichte (:denn der Ungenannte | ||||||
05 | hat die merkwürdigsten Begebenheiten seines Lebens, wie | ||||||
06 | auch die bei seiner Seele gemachten besondern Erfahrungen zu Papier | ||||||
07 | gebracht:), und kann, wenn es in die Hände einiger weisen und edlen | ||||||
08 | Menschen geräth, einmahl nach seinem Todte, seinen Charakter ins | ||||||
09 | wahre Licht sezzen. Bei jedem der dieses Buch liset (:wenn er nicht | ||||||
10 | einen von Vorurtheilen ganz eingenommenen Kopf hat:), muß daßelbe | ||||||
11 | dem Charakter des Verfaßers Ehre und keine Schande bringen: ich | ||||||
12 | meine hier gar nicht, als wenn die Lesenden, in gewißen den Hauptgegenstand | ||||||
13 | des Buchs betreffenden Grundsäzzen, alle mit dem Verfaßer | ||||||
14 | müßten einstimmig seyn; dies ist hiezu gar nicht von Nöthen. Doch | ||||||
15 | genug von diesem. - Ich erinnere hier nur gleich zum voraus: In | ||||||
16 | seinem ganzen Verfahren, ist der Ungenannte einen graden offnen | ||||||
17 | Weg gegangen; auch wie er sich Ew. Wohlgeb. entdekte, hat er nichts | ||||||
18 | verborgen, sondern die ganze Sache dargelegt, wie sie war, und zur | ||||||
19 | Warheits=Bestättigung derselben, alles mit Urkunden belegt, die in Ew. | ||||||
20 | Wohlgeb. Händen gewesen. Diese Warheitsliebe und Offenheit des | ||||||
21 | Ungenannten, kann wenigstens etwas zum Voraus im Allgemeinen | ||||||
22 | ein gutes [Vorurtheil von ihm erwekken]. | ||||||
23 | Noch erinnere ich hiebei: HE Brahl, der einer der ältesten Bekannten | ||||||
24 | des Ungenannten in K. gewesen, den er durch HE Haman | ||||||
25 | kennen lernen, weiß verschiedne Begebenheiten deßelben, ehe er nach | ||||||
26 | Preußen gegangen; doch ist ihm nicht die ganze Geschichte deßelben | ||||||
27 | (:auch nicht die Verhältniße deßelben, die Ew. Wohlgeb. nur allein | ||||||
28 | bewußt sind; von dieser ganzen Lage des Ungenannten, weiß er gar | ||||||
29 | nichts:) bekannt. Auch ist ihm, so wie HE Hamann, der Trübsinn | ||||||
30 | und fürchterliche Melancholie, in der sich der Ungenannte immer in K. | ||||||
31 | befunden, bekannt. Alles dies veranlaßte in den letztern Tagen der | ||||||
32 | Abreise des Ungenannten, daß er endlich (:wozu noch ein gewißer | ||||||
33 | Brief an den Ungenannten kam, den HE. Brahl gelesen:) sich gegen | ||||||
34 | ihn herausließ, er habe über diese seltsame Materie ein eignes Buch | ||||||
35 | geschrieben; jener mußte ihm versprechen, das Buch zum Durchlesen | ||||||
36 | zu schikken: denn es lag weit entfernt wo in Verwahrung. Herr Brahl | ||||||
37 | hat dies Buch gelesen und zurükgeschikt. Haben Ew. Wohlgeb. irgend | ||||||
[ Seite 382 ] [ Seite 384 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |