Kant: AA X, Briefwechsel 1784 , Seite 381 |
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01 | nicht zur Bezahlung antreiben; denn wenn er sich so vor seinen Augen | ||||||
02 | demaskirt sähe, so müßte ihn dies zu einer niedrigen ausgelaßenen | ||||||
03 | Rache reizen, wozu sich in solchen Fällen allemahl Menschen hinreißen | ||||||
04 | laßen, die an ihrer Ehre nichts mehr zu verliehren haben: Und der | ||||||
05 | Ungenannte mag HE I. nicht Gelegenheit geben, sich als einen noch | ||||||
06 | schlechtern Menschen zu zeigen. Ich habe HEn Brahl gebethen, ob er | ||||||
07 | mit guter Manier das Geld von ihm wieder kriegen kann, etwa durch | ||||||
08 | Wollentait, denn ihm selbst will ich just diese unangenehme Commission | ||||||
09 | nicht zumuthen; Wollenteit, wenn er im Nahmen der Person, nach | ||||||
10 | von ihr gebrachter Quittung, von ihm das Geld abforderte. - Also | ||||||
11 | darf man dem Ungenannten (:der das Geld immer richtig übermacht | ||||||
12 | hat:) auch hierin nicht gradzu die Schuld von den schlechten Umständen | ||||||
13 | der Person beimeßen. Denn dazu kann sich der Ungenannte | ||||||
14 | nicht verpflichten, die Person selbst zu erhalten: diese muß arbeiten: | ||||||
15 | seine Pflicht kann sich blos auf das Kind erstrekken, worüber er sich | ||||||
16 | auch schon vorhin erklärt hat. - Da von dem Ungenannten betheuret | ||||||
17 | werden kann, daß er im strengsten Verstande, kein Verführer der | ||||||
18 | Tugend bei dieser Person gewesen (:die auch nicht eine Nüance von | ||||||
19 | irgend einem solchen Gefühl geäußert, sondern sich blindlings hingegeben | ||||||
20 | hat:) ist: Er hat daher glaube alles gethan, was nur je ein Mensch | ||||||
21 | in seiner Lage thun konnte, wenn er ihr 60 rthlr gegeben, da die | ||||||
22 | Gesezze in solchem Falle, wenn für den Unterhalt des Kindes gesorgt | ||||||
23 | wird, selten über 1O rthlr bestimmen. Dem Ungenannten also auch | ||||||
24 | von dieser Seite Vorwürfe und Beschuldigungen machen wollen, dies | ||||||
25 | hieße: ihn (:deßen Herz so schon so unendlich leidet, das so vieles tragen | ||||||
26 | muß:) aufs bitterste kränken, ihn grausam behandeln: Der Ungenannte | ||||||
27 | kann also nicht befürchten, daß man von allen diesen nunmehr berührten | ||||||
28 | Seiten Schuld über ihn haufen wird; sollte es doch geschehen, | ||||||
29 | so wird es ihn zwar unendlich schmerzen, doch hat er aber so viele | ||||||
30 | veste Grundsäzze, daß er immer wird die Ueberzeugung in sich rege | ||||||
31 | erhalten können, daß er in seiner Lage, nach Ehre und Gewißen gehandelt | ||||||
32 | hat. | ||||||
33 | Es erfolgen anbei an Ew. Wohlgeb. noch 9 rthlr die ich gehorsamst | ||||||
34 | bitte HE Brahl auszuzahlen, der sie nebst den schon dort angekomm[n]en | ||||||
35 | 3 rthlr, der bewußten Person izt gleich baar auszahlen, und | ||||||
36 | denn anfangen soll, ihr jeden Monath 1 rthlr für das Kind zu geben. | ||||||
37 | Vergeben mir Ew. Wohlgeb. daß ich Dieselben noch zum lezten Mahle, | ||||||
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