Kant: AA X, Briefwechsel 1782 , Seite 299 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Toback ist mir eine große ressource. Ich bin so lange Freünd | ||||||
02 | von einem, als er mir nützlich seyn kan. Von meinen ersten | ||||||
03 | Regungen bin ich nicht Meister und suche auch nicht es zu werden. | ||||||
04 | Wann ich mich beleidigt glaube so schimpfe ich oder schlage | ||||||
05 | gleich loß. Dann Point d'honneur habe ich recht viel. Wann | ||||||
06 | meine Vorgesetzte meine Fehler mir vorrücken, so laße ich sie | ||||||
07 | reden und lache über sie. Ich lobe nicht gerne etwas außer | ||||||
08 | meinem Vaterland, wo ich alles beßer halte. Das Andenken | ||||||
09 | eines geleisteten Dienstes verliehret sich bald bey mir, und ich | ||||||
10 | hüte mich davon mit andern zu sprechen. Ich schertze gerne, | ||||||
11 | weil ich glaube daß ich den erforderlichen Witz dazu habe. Ich | ||||||
12 | kenne keine große Traurigkeit, weil mich Gott lob nichts so | ||||||
13 | außerordentlich rührt, daß es auf mein Gemüth einen wehmüthigen | ||||||
14 | Eindruk macht. Sehe ich bey andern Gebrechen oder Fehler, | ||||||
15 | sie mögen moralisch oder Physisch seyn so freüe ich mich, weil | ||||||
16 | ich meinen Witz anbringen kan. Geschmack habe ich an nichts. | ||||||
17 | Doch möchte ich wohl gut drechßeln können, oder sonst etwas von | ||||||
18 | einem Handwerk wißen. Ich habe gesehen daß mein Vater und mein | ||||||
19 | MutterBruder sich damit die Zeit vertreiben, wenn sie alleine sind. | ||||||
20 | Hier haben Sie lieber Freund die Squizze eines jungen Edelmanns | ||||||
21 | dem man auf Universitaeten oder wann die Eltern das Vermögen | ||||||
22 | nicht haben, in frembde Militair Dienste schicket. Was eine | ||||||
23 | solche Erziehung auf die Menschliche Gesellschafft im Staat und auf | ||||||
24 | den Staat selbst für einen Einfluß hat, zeiget die innerliche Lage des | ||||||
25 | Landes, die ohnmöglich so bleiben kan. Herr Hamann sagte einmahl, | ||||||
26 | daß die Curländer keine Seelen hätten, bey ihnen wäre alles Magen. | ||||||
27 | Ich muß ihm in der That beypflichten: Allein stellen sie sich nun einen | ||||||
28 | Staat vor der von lauter Magen regieret wird, dann auf unsern | ||||||
29 | Kirchspiels und Land=Tägen, bringt ein jeder Edelmann und Deputirte | ||||||
30 | seine portiunculam Majestatis mit sich. Nun aber genug von dieser | ||||||
31 | Materie, die wenn ich werde so glücklich seyn wieder einmahl mit Ew. | ||||||
32 | HochEdelgeb: in Gesellschafft zu seyn uns auch Stoff zu unsern Unterhaltungen | ||||||
33 | geben wird. Ich schreite nunmehro zu einer andern Materie | ||||||
34 | zu welcher Dieselben mir in Dero Schreiben durch die darinnen angeführte | ||||||
35 | Rußisch Kayserl. Ukase, Veranlaßung geben. | ||||||
36 | Für das erste muß ich dem Königsbergischen Publico den Irrthum | ||||||
37 | benehmen, als wann in Curland eine Rußische Ukase publicirt worden, | ||||||
[ Seite 298 ] [ Seite 300 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |