Kant: AA X, Briefwechsel 1777 , Seite 218 |
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01 | dem sogenannten Bischofshofe. Sie ist die vornehmste geistliche Stelle | ||||||
02 | im Lande und nicht eben mit Arbeit überhäuft und giebt dem, der sie | ||||||
03 | bekleidet, den größesten Einflus auf die Verbesserung des Schulwesens | ||||||
04 | im Lande, wenn er in Ansehung desselben Einsichten hat und sich damit | ||||||
05 | befassen will. | ||||||
06 | Wie wäre es, wenn, im fall sich Ihnen nicht etwa in Ansehung | ||||||
07 | des Philanthropins günstigere Aussichten darstellen, Sie einem Ihrer | ||||||
08 | Freunde in Berlin ihre Gesinnung hierüber mittheilen möchten, der dem | ||||||
09 | Ministre davon nur einen Wink geben dürfte, um es dahin zu bringen, | ||||||
10 | daß man Ihnen diese Stelle von selbst antrüge. Wenngleich das | ||||||
11 | Schiff was Sie verlassen dadurch seinen Hauptmann verliert, so wird | ||||||
12 | es vielleicht doch noch einen guten Steuermann auf sich haben, der | ||||||
13 | seinen Lauf so lange lenckt, bis ein neues Oberhaupt vor dasselbe ausgefunden | ||||||
14 | wird. Die emolumente der vorgeschlagenen Stelle habe ich | ||||||
15 | ehe zu niedrig als zu hoch angesetzt und, dazu zu gelangen, bedarf es | ||||||
16 | von Ihrer Seite keine Bewerbungen, von Seiten des publici aber | ||||||
17 | darf ich wohl voraus versichern, daß es ihm zum allgemeinen Wohlgefallen | ||||||
18 | gereichen würde, einen so berühmten als geliebten Lehrer zu bekommen. | ||||||
19 | Und nun, geehrtester Freund: können Sie sich vor die Zukunft | ||||||
20 | im Philanthropin mit einiger Warscheinlichkeit günstigere Zeitläufte | ||||||
21 | vor Ihre und des Instituts Erhaltung versprechen, so ist es ruhmwürdiger | ||||||
22 | Sich demselben vorzuspahren; wo nicht, so haben Sie hier | ||||||
23 | Gelegenheit Sich wegen Ihrer häuslichen Pflichten ausser Unruhe zu | ||||||
24 | setzen und dennoch vielleicht etwas auszufinden, was jene Anstalt im | ||||||
25 | Fortgange erhalten könte. | ||||||
26 | Ich werde meine andre Arbeit eine Zeitlang zur Seite legen, um | ||||||
27 | etwas vor Ihre Unterhandlungen abzufassen und nächstens zuzuschicken, | ||||||
28 | ob ich zwar nicht weiß, wie fern mir die pädagogische Schreibart gelingen | ||||||
29 | möchte. Mit unveränderlicher Hochachtung u. Freundschaft bin | ||||||
30 | ich iederzeit | ||||||
31 | Koenigsberg | Ihr | |||||
32 | d. 31 Oct: 1777. | treuer Diener | |||||
33 | I Kant | ||||||
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