Kant: AA X, Briefwechsel 1774 , Seite 159 |
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01 | Itzt ist davon gar nicht die Rede, ob der Verfasser recht habe | ||||||
02 | oder nicht, noch ob dieser vermeintlich gefundene Hautptschlüssel alle | ||||||
03 | Kammern des historisch=antiqvarisch critischen Labyrinths öfne, sondern | ||||||
04 | lediglich 1. Was der Sinn dieser Urkunde sey. 2 worinn der Beweis | ||||||
05 | bestehe, der aus den ältesten Archivnachrichten aller Völker genommen | ||||||
06 | worden: daß dieses Document in gedachtem Sinne das unverdächtigste | ||||||
07 | und reineste sey. | ||||||
08 | Und da ist unseres Verfassers Meinung: | ||||||
09 | Was das erste betrift, daß das erste biblische Capitel nicht die | ||||||
10 | Geschichte der Schopfung, sondern, unter diesem Bilde (welches) auch | ||||||
11 | überdem die natürlichste Ausbildung der Welt vorstellen mag,) eine | ||||||
12 | Abtheilung der von Gott dem ersten Menschen gegebenen Unterweisung, | ||||||
13 | gleichsam in 7 Lektionen vorstelle, wodurch er zuerst zum Denken hat | ||||||
14 | geleitet und zur Sprache gebildet werden müssen, so daß hiemit der | ||||||
15 | erste Schriftzug verbunden worden und die 7 tage selbst (vornemlich | ||||||
16 | durch deren Beschließung mit einem Sabbath) ein herrliches Mittel der | ||||||
17 | Erinnerung, zugleich auch der chronol: Astronomie etc gewesen sey | ||||||
18 | Was das zweyte betrift; so ist der eigentliche Beweis daher | ||||||
19 | genommen: daß der Hermes der Aegypter nichts als den Anfang alles | ||||||
20 | menschlichen Wissens bedeute und daß das einfältge symbol desselben, | ||||||
21 | welches eine Vorstellung der siebenten Zahl ist, zusamt allen andern | ||||||
22 | allegorien, welche diese mystische Zahl als den Inbegrif der gantzen | ||||||
23 | Welterkentnis vorstellen, offenbar das Denkzeichen, nicht allein des | ||||||
24 | Ursprungs aller menschlichen Erkentnis, sondern so gar der Methode | ||||||
25 | der ersten Unterweisung seyn müsse; daß dieses zur volligen Gewisheit | ||||||
26 | werde, wenn man in der Mosaischen Erzählung wirklich die obiecte | ||||||
27 | des menschlichen Wissens, nach Methode disponirt, in dieselbe figur gebracht | ||||||
28 | und mit der nämlichen Feyerlichkeit versiegelt antrift. Daraus | ||||||
29 | wird geschlossen: daß, weil dieses wichtige Mosaische Stück dasienige | ||||||
30 | ist, was alle jene uralte Symbole allein verständlich machen kan, es | ||||||
31 | die einzige ächte und höchstehrwürdige Urkunde sey, die uns mit dem | ||||||
32 | Anfange des menschlichen Geschlechts auf das zuverläßigfte bekannt | ||||||
33 | machen kan. Moses allein zeigt uns das Document, die Aegypter | ||||||
34 | hatten, oder zeigeten nur das Emblem. | ||||||
35 | Von denen mir mitgetheilten Hauptzügen der Absicht des Verfassers | ||||||
36 | ist Ihre zweyte Bemerkung, werthester Freund, so viel ich mich | ||||||
37 | besinne, mit der Meinung des Autors nicht einstimmig. Denn allerdings | ||||||
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