Kant: AA X, Briefwechsel 1774 , Seite 149 |
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Text (Kant):
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| 01 | versprach, in ihrem Namen zuschreiben. und was? Ein seltsamer | ||||||
| 02 | Auftrag an einen Philosophen, à la Wolf - der natürlichste an einen | ||||||
| 03 | Philosophen, der so sehr Mensch, Mensch ist, wie Kant, mit dem ich | ||||||
| 04 | in manchem sympathisire | ||||||
| 05 | Es frägt sich nämlich, ob Sie die Mühe nehmen wollten, einem | ||||||
| 06 | gewißen Iohann Rudolph Sulzer, erster Instanz, bey einem Schafhauser | ||||||
| 07 | Schalk, gürtler, in der ersten Vorstadt nachzufragen; sich seiner | ||||||
| 08 | Aufführung halber zuerkundigen, und womöglich ihn selber zusprechen, | ||||||
| 09 | und uns zuberichten, ob Sie ihm zutrauten, daß er sich in seinem | ||||||
| 10 | Vaterlande gut aufführen werde. Der Mensch ist Soldat, und mögte sehr | ||||||
| 11 | gern los seyn, und wieder in sein Vaterland zurük. Ich glaube, seine | ||||||
| 12 | zwar nicht bemittelte Aeltern und Geschwister würden ihr möglichstes | ||||||
| 13 | thun, um ihn loszukaufen, wofern Sie uns seiner Aufführung halber | ||||||
| 14 | einige Sicherheit geben könnten. Er war in den letzten Iahren seines | ||||||
| 15 | Hierseyns leichtsinnig. | ||||||
| 16 | Ich bitte Sie also, mich, so bald möglich hievon zubenachrichtigen, | ||||||
| 17 | und wo möglich zugleich anzuzeigen, was es etwa kosten würde, ihn | ||||||
| 18 | loszukaufen? | ||||||
| 19 | Wie viel sollte ich nun abbitten, - wenn ich nicht an Sie glaubte. | ||||||
| 20 | aber, ich bitte mit keinem Wort ab. | ||||||
| 21 | aber nun - ist mein Auftrag getreülich vollendet, das Blat noch | ||||||
| 22 | halb leer - u: was ich Ihnen sagen, was ich Sie fragen mögte, so viel | ||||||
| 23 | daß ich nicht anfangen - u: doch auch nicht sofort abbrechen kann. | ||||||
| 24 | Sagen Sie mir doch auch nur mit einem Paar Zeilen: Sind | ||||||
| 25 | Sie dann der Welt gestorben? warum schreiben so viele, die nicht | ||||||
| 26 | schreiben können - und Sie nicht, die's so vortreflich können? warum | ||||||
| 27 | schweigen Sie - bey dieser, dieser neüen Zeit - geben keinen Ton | ||||||
| 28 | von sich? Schlafen? Kant - nein, ich will Sie nicht loben - aber | ||||||
| 29 | sagen Sie mir doch, warum Sie schweigen? oder vielmehr: Sagen | ||||||
| 30 | Sie mir, daß Sie reden wollen. | ||||||
| 31 | und dann - doch ich werde indiskret, wenn ich fortfahre zuschreiben | ||||||
| 32 | - dann wünscht, ich noch - von Ihnen wenigstens, da | ||||||
| 33 | mirs alle Welt versagt - einige Lichtgedanken in mein Menschengedicht | ||||||
| 34 | - was Sie wollen, ohne Ordnung, Zusammenhang - Nur | ||||||
| 35 | Zeilen - damit ich bald was empfange - und der Hauptzweck meines | ||||||
| 36 | Briefes nicht drunter leide. | ||||||
| 37 | Ich muß abbrechen - und nur noch schnell hinsagen, da | ||||||
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