Kant: AA X, Briefwechsel 1773 , Seite 144 |
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| 01 | welches ich viel besser befinde als alle absorbentia. Sonst habe ich | ||||||
| 02 | den täglichen Gebrauch dieses Mittels in der Absicht mich zu roboriren | ||||||
| 03 | abgeschaft. Es machte mir dasselbe einen intermittirenden Puls vornemlich | ||||||
| 04 | gegen Abend wobey mir ziemlich bange ward bis ich die Ursache | ||||||
| 05 | vermuthete und nach Einstellung derselben das Übel sogleich hob. | ||||||
| 06 | Studiren Sie doch ja die große Mannigfaltigkeit der Naturen. Die | ||||||
| 07 | meinige würde von jedem Arzt der kein Philosoph ist über den Haufen | ||||||
| 08 | geworfen werden. | ||||||
| 09 | Sie suchen im Meßcatalog fleißig aber vergeblich nach einem | ||||||
| 10 | gewissen Nahmen unter dem Buchstaben K. Es würde mir nach der | ||||||
| 11 | vielen Bemühung die ich mir gegeben habe nichts leichter gewesen | ||||||
| 12 | seyn als ihn darinn mit nicht unbeträchtlichen Arbeiten die ich beynahe | ||||||
| 13 | fertig liegen habe paradiren zu lassen. Allein da ich einmal | ||||||
| 14 | in meiner Absicht eine so lange von der Hälfte der philosophischen | ||||||
| 15 | Welt umsonst bearbeitete Wissenschaft umzuschaffen so weit gekommen | ||||||
| 16 | bin daß ich mich in dem Besitz eines Lehrbegrifs sehe der das bisherige | ||||||
| 17 | Rätzel völlig aufschließt und das Verfahren der sich selbst isolirenden | ||||||
| 18 | Vernunft unter sichere und in der Anwendung leichte Regeln | ||||||
| 19 | bringt so bleibe ich nunmehro halsstarrig bey meinem Vorsatz mich | ||||||
| 20 | [durch] keinen Autorkützel verleiten zu lassen in einem leichteren und | ||||||
| 21 | beliebteren Felde Ruhm zu suchen ehe ich meinen dornigten und | ||||||
| 22 | harten Boden eben und zur Allgemeinen Bearbeitung frey gemacht | ||||||
| 23 | habe. | ||||||
| 24 | Ich glaube nicht daß es viele versucht haben eine gantz neue | ||||||
| 25 | Wissenschaft der Idee nach zu entwerfen uud sie zugleich völlig auszuführen. | ||||||
| 26 | Was aber das in Ansehung der Methode der Eintheilungen | ||||||
| 27 | der genau angemessenen Benennungen vor Mühe macht und | ||||||
| 28 | wie viel Zeit darauf verwendet werden muß werden Sie sich kaum | ||||||
| 29 | einbilden können. Es leuchtet mir aber davor eine Hofnung entgegen | ||||||
| 30 | die ich niemand ausser Ihnen ohne Besörgnis der größesten Eitelkeit | ||||||
| 31 | verdächtig zu werden eröfne nemlich der Philosophie dadurch auf eine | ||||||
| 32 | dauerhafte Art eine andere und vor Religion und Sitten weit vortheilhaftere | ||||||
| 33 | Wendung zu geben zugleich aber auch ihr dadurch die | ||||||
| 34 | Gestalt zu geben die den spröden Mathematiker anloken kan sie seiner | ||||||
| 35 | Bearbeitung fähig und würdig zu halten. Ich habe noch bisweilen | ||||||
| 36 | die Hofnung auf Ostern das Werk fertig zu liefern. Allein wenn ich | ||||||
| 37 | auch auf die häufige indispositionen rechne welche immer Unterbrechungen | ||||||
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