Kant: AA X, Briefwechsel 1770 , Seite 113 |
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| 01 | die Sie sich selbst eröffnet haben Glük, dabey Gesundheit und Muße | ||||||
| 02 | sie mit Ehre zu vollenden - | ||||||
| 03 | I G Sulzer | ||||||
| 04 | Berlin d. 8 Decemb. 1770. | ||||||
| 63. | |||||||
| 06 | Von Moses Mendelssohn. | ||||||
| 07 | 25. Dec. 1770. | ||||||
| 08 | Hochedelgebohrner Herr! | ||||||
| 09 | Insonders Hochzuehrender Herr Professor! | ||||||
| 10 | Herr Marcus Herz der sich durch Ihren Unterricht, und, wie er | ||||||
| 11 | mich selbst versichert, noch mehr durch Ihren weisen Umgang, zum | ||||||
| 12 | Weltweisen gebildet hat, fährt rühmlich auf der Laufbahn fort, die er | ||||||
| 13 | unter Ihren Augen zu betreten angefangen. So viel meine Freundschaft | ||||||
| 14 | zu seinem guten Fortkommen beytragen kan, wird ihm nicht | ||||||
| 15 | entstehen. Ich liebe ihn aufrichtig, und habe das Vergnügen fast | ||||||
| 16 | täglich seines sehr unterhaltenden Umgangs zu genießen. Es ist wahr, | ||||||
| 17 | die Natur hat viel für ihn gethan. Er besitzet einen hellen Verstand, | ||||||
| 18 | ein weiches Herz, eine gemäßigte Einbildungskrafft, und eine gewisse | ||||||
| 19 | Subtiligkeit des Geistes, die der Nation natürlich zu seyn scheinet. | ||||||
| 20 | Allein welch ein Glük für ihn, daß eben dise Naturgaben so frühzeitig | ||||||
| 21 | den Weg zum Wahren und Guten geführt worden sind. Wie | ||||||
| 22 | mancher, der dises Glük nicht gehabt hat, ist in dem unermeßlichen | ||||||
| 23 | Raume von Warheit und Irrthum sich selbst überlassen geblieben, und | ||||||
| 24 | hat seine edle Zeit und seine besten Kräffte, durch hundert vergebliche | ||||||
| 25 | Versuche, verzehren müssen, dergestalt daß ihm am Ende beides Zeit | ||||||
| 26 | und Kräffte fehlen, auf dem Wege fortzufahren, den er, nach langem | ||||||
| 27 | Herumtappen, endlich gefunden hat. Hätte ich vor meinem zwanzigsten | ||||||
| 28 | Iahre einen Kant zum Freunde gehabt! | ||||||
| 29 | Ihre Dissertation habe ich mit der größten Begierde in die | ||||||
| 30 | Hande genommen, und mit recht vielem Vergnügen durchgelesen, | ||||||
| 31 | ob ich gleich seit Iahr und Tag, wegen meines mehr geschwächten | ||||||
| 32 | Nervensystems, kaum im Stande bin, etwas spekulatives von diesem | ||||||
| 33 | Werthe, mit gehöriger Anstrengung durch zu denken. Man siehet, | ||||||
| 34 | dise kleine Schrift ist die Frucht von sehr langen Meditationen, und | ||||||
| 35 | muß als ein Theil eines ganzen Lehrgebäudes angesehen werden, das | ||||||
| 36 | dem Verf. eigen ist, und wovon er vor der Hand nur einige Proben | ||||||
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