Kant: AA X, Briefwechsel 1766 , Seite 072 |
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01 | und die Harmonie mit dem Körper nur das gegenverhältnis des innern | ||||||
02 | Zustandes der Seele (des Denkens u. Wollens) zu dem äußeren Zustande | ||||||
03 | der Materie unseres Korpers mithin kein Verhältniß einer äußeren | ||||||
04 | Thätigkeit zu einer äußeren Thätigkeit entdekt folglich zur Auflösung | ||||||
05 | der quaestion gar nicht tauglich ist so frägt man ob es an sich möglich | ||||||
06 | sey durch Vernunfturtheile a priori diese Kräfte geistiger Substanzen | ||||||
07 | auszumachen. Diese Untersuchung löset sich in eine andere auf ob man | ||||||
08 | nemlich eine primitive Kraft d. i. die erste Grundverhältnis der | ||||||
09 | Ursache zur Wirkung durch Vernunftschlüsse erfinden könne und | ||||||
10 | da ich gewiß bin daß dieses unmöglich sey so folget, wenn mir diese | ||||||
11 | Kräfte nicht in der Erfahrung gegeben seyn, daß sie nur erdichtet | ||||||
12 | werden können. Diese Erdichtung aber (fictio hevristica, hypothesis) | ||||||
13 | kan niemals auch nur einen Beweis der Möglichkeit zulassen und die | ||||||
14 | Denklichkeit (deren Schein daher kommt daß sich auch keine Unmöglichkeit | ||||||
15 | davon darthun läßt) ist ein bloßes Blendwerk wie ich denn die Träumereyen | ||||||
16 | des Schwedenbergs selbst, wenn iemand ihre Möglichkeit angriffe, | ||||||
17 | mir zu vertheidigen getrauete und mein Versuch von der Analogie | ||||||
18 | eines wirklichen sittlichen Einflusses der geistigen Naturen mit der | ||||||
19 | allgemeinen Gravitation ist eigentlich nicht eine ernstliche Meinung | ||||||
20 | von mir sondern ein Beyspiel wie weit man und zwar ungehindert | ||||||
21 | in philosophischen Erdichtungen fortgehen kan wo die data fehlen, | ||||||
22 | und wie nöthig es bey einer solchen Aufgabe sey auszumachen was | ||||||
23 | zur solution des problems nöthig sey und ob nicht die dazu nothwendigen | ||||||
24 | data fehlen. Wenn wir dennoch die Beweisthümer aus der | ||||||
25 | Anständigkeit oder den Göttlichen Zwecken so lange bey Seite setzen | ||||||
26 | und fragen ob aus unseren Erfahrungen iemals eine solche | ||||||
27 | Kentnis von der Natur der Seele möglich sey die da zureiche | ||||||
28 | die Art ihrer Gegenwart im Weltraume sowohl in Verhaltnis | ||||||
29 | auf die Materie als auch auf Wesen ihrer Art daraus zu | ||||||
30 | erkennen so wird sich zeigen ob Geburth (im metaphysischen Verstande) | ||||||
31 | Leben und Tod etwas sey was wir iemals durch Vernunft | ||||||
32 | werden einsehen können. Es liegt hier daran auszumachen ob | ||||||
33 | es nicht hier wirklich Grenzen gebe welche nicht durch die Schranken | ||||||
34 | unserer Vernunft nein der Erfahrung die die data zu ihr enthält | ||||||
35 | festgesetzt seyn. Iedoch ich breche hiemit ab und empfehle mich | ||||||
36 | dero Freundschaft bitte auch dem HE. Prof: Sultzer meine | ||||||
37 | besondere Hochachtung und dem Wunsch, mit seiner gütigen | ||||||
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