Kant: AA X, Briefwechsel 1765 , Seite 055 |
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01 | machte, bat mich meine Zuschrift so lange aufzuschieben, bis er | ||||||
02 | hierüber seine völlige Entschließung durch ein eigenes Schreiben | ||||||
03 | Ihnen eröfnen könne. Er erkennet sehr wohl die Wichtigkeit der | ||||||
04 | Verbindung, mit einer so berühmten Feder, als die Ihrige ist, und | ||||||
05 | ist geneigt gnug den angetragenen Verlag zu übernehmen, nur | ||||||
06 | bittet er sich einen Aufschub, weil die Zeit bis zur Ostermesse ihm | ||||||
07 | zu kurz und seine übrige Verlagsanstalten vor diesmal gar zu überhäuft | ||||||
08 | scheinen. Er ist mit seinem vorigen Handlungsbedienten | ||||||
09 | HEn Hartknoch der seine affairen anietzt in Riga verwaltet in Compagnie | ||||||
10 | getreten und wird, wie er mich versichert, nächstens seine Erklärung | ||||||
11 | an Sie in der erwähnten Sache überschreiben. | ||||||
12 | Es ist mir kein gringes Vergnügen, von Ihnen die glückliche | ||||||
13 | Übereinstimmung unserer Methoden bemerkt zu sehen, die ich mehrmalen | ||||||
14 | in Dero Schriften warnahm, und welche dazu gedient hat, | ||||||
15 | mein Zutrauen in dieselbe zu vergrößeren, als eine logische Probe | ||||||
16 | gleichsam, welche zeigt daß diese Gedanken an dem Probiersteine | ||||||
17 | der allgemeinen menschlichen Vernunft den Strich halten. Dero Einladung | ||||||
18 | zu einer wechselseitigen Mittheilung unserer Entwürfe schätze | ||||||
19 | ich sehr hoch und da ich mich durch diesen Antrag sehr geehrt finde, | ||||||
20 | so werde ich auch nicht ermangeln davon Gebrauch zu machen, wie | ||||||
21 | ich denn, ohne mich selbst zu verkennen einiges Zutrauen in dieienige | ||||||
22 | Kentnis setzen zu können vermeine, welche ich nach langen Bemühungen | ||||||
23 | erworben zu haben glaube, da anderer Seits das Talent, | ||||||
24 | was man an Ihnen mein Herr kennt, mit einer ausnehmenden | ||||||
25 | Scharfsinnigkeit in Theilen eine überaus weite Aussicht ins Große zu | ||||||
26 | verknüpfen, allgemein zugestanden ist und so ferne Sie belieben mit | ||||||
27 | meinen kleineren Bestrebungen Ihre Kräfte zu vereinbaren, vor mich | ||||||
28 | und vielleicht auch vor die Welt eine wichtige Belehrung hoffen läßt. | ||||||
29 | Ich habe verschiedene Iahre hindurch meine philosophische Erwägungen | ||||||
30 | auf alle erdenkliche Seiten gekehrt, und bin nach so | ||||||
31 | mancherley Umkippungen, bey welchen ich jederzeit die Qvellen des | ||||||
32 | Irrthums oder der Einsicht in der Art des Verfahrens suchte, | ||||||
33 | endlich dahin gelangt, daß ich mich der Methode versichert halte, die | ||||||
34 | man beobachten muß, wenn man demjenigen Blendwerk des Wissens | ||||||
35 | entgehen will, was da macht, daß man alle Augenblicke glaubt zur | ||||||
36 | Entscheidung gelangt zu seyn, aber eben so oft seinen Weg wieder | ||||||
37 | zurücknehmen muß, und woraus auch die zerstöhrende Uneinigkeit der | ||||||
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