Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 436 |
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01 | nicht bewohnt, aber man muß nicht glauben, daß sie so ganz unbewohnbar | ||||||
02 | sind, als sie die Holländer, die unter Heemskerk auf ihnen überwinterten, | ||||||
03 | wollen gefunden haben. Professor Müller berichtet, daß fast jährlich | ||||||
04 | einige Russen um der Jagd willen den Winter in jenen Gegenden zubringen. | ||||||
05 | Unter den Vögeln von Spitzbergen führe ich nur den Eisvogel | ||||||
06 | mit seinen blendend glänzenden Goldfedern an. Der Wallfisch ist hier | ||||||
07 | dasjenige Thier, dessen Jagd die Europäer am meisten beschäftigt, wiewohl | ||||||
08 | ehedeß auch von den Wallrossen um ihrer Zähne willen auch guter Profit | ||||||
09 | ist gezogen worden. Weiter westwärts haben die Lappen ein überaus | ||||||
10 | häßliches Gesicht, sind aber nicht so klein, als man sie beschrieben hat. Im | ||||||
11 | Jahre 1735 sah man einen Riesen, der sieben rheinländische Fuß groß | ||||||
12 | war, in Paris, er war aus Lappland gebürtig. Die Zaubereien oder vielmehr | ||||||
13 | die Betrügereien der schwarzen Kunst sind hier fast dieselben wie in | ||||||
14 | Sibirien, werden aber immer mehr abgestellt. Einige Reisende bemerken, | ||||||
15 | daß hier die Pferde zur Sommerzeit aus allen Dörfern in die Wildni | ||||||
16 | gelassen werden, um die Jahreszeit in der Freiheit zuzubringen, da denn | ||||||
17 | die von einer Dorfschaft sich von selbst in einem besondern Bezirke einfinden | ||||||
18 | und mit den übrigen sich nicht vermengen, auch im Winter von | ||||||
19 | selbst in die Ställe kommen. Die Grönländer bewohnen ein Land, welches | ||||||
20 | mit der südlichen Spitze in nicht größerer Breite als Stockholm liegt, aber | ||||||
21 | sich bis auf unbekannte Weiten nach Norden erstreckt. Die Ostseite dieses | ||||||
22 | Landes ist gelinder als die Westseite und hat ziemlich hohe Bäume wider | ||||||
23 | die Natur dieses Himmelsstriches. Je weiter man in diesem Himmelsstriche | ||||||
24 | nach Westen kommt, desto kälter findet man die Gegend. Nahe bei | ||||||
25 | der Hudsonsstraße sieht man Eisberge, deren Dicke von fünfzehn bis ein | ||||||
26 | tausend achthundert Fuß ist. Weil sie der Wind kaum bewegen kann, so | ||||||
27 | mögen wohl Jahrhunderte dazu gehören, bis sie in den temperirten Erdstrich | ||||||
28 | getrieben werden, da sie zerschmelzen. Die Eisberge, welche neben | ||||||
29 | den hohen Bergen in Spitzbergen auf dem Lande stehen, haben große | ||||||
30 | Ähnlichkeit mit diesen und den Gletschern der Alpen, welches zu artigen | ||||||
31 | Betrachtungen Anlaß geben kann. Hierbei ist nur noch zu merken, da | ||||||
32 | das Wasser des Eismeeres so gesalzen und schwer ist als eines in der Welt, | ||||||
33 | z. E. bei Nova=Zembla. Man sieht in der Hudsonsstraße eine unbeschreibliche | ||||||
34 | Menge Holz in der See treiben. Ein gewisser Schriftsteller hält für | ||||||
35 | den sichersten Beweis, daß dieses Holz aus warmen Ländern herkommen | ||||||
36 | müsse, dies, daß es bis auf das Mark von Würmern durchfressen ist, welches | ||||||
37 | bei denen des kalten Erdstriches nicht stattfindet. | ||||||
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