Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 404

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01
Mongolische Tatarn.
     
           
  02 Sie wohnen westwärts und nördlich von der Wüste Schamo oder      
  03 Xam. Karakorum, eine Stadt an dieser Wüste, war die Residenz des      
  04 Dschingischan, eines der größten Eroberer in der Welt. Die Mongolen      
  05 werden von den Chinesern stinkende Tatarn genannt wegen ihres übeln      
  06 Geruchs. In ihrem Lande und in dem Lande der Kalmücken giebt es keine      
  07 Bäume, sondern bloße Gesträuche. Sie wohnen daher nicht in Städten,      
  08 sondern in Lagern. Das Erdreich soll allenthalben in der Tiefe von wenigen      
  09 Fuß selbst im Sommer gefroren sein. Man lebt von der Viehuucht,      
  10 sonderlich von Pferden und Kräutern.      
           
  11
Kalmücken.
     
           
  12 Die Kalmücken bewohnen die höchste Gegend der östlichen Tatarei bis      
  13 an das Gebirge Imaus und haben sich ostwärts und nordwärts ausgebreitet.      
  14 Sie rühmen sich ächte Nachkommen der alten Mongolen zu sein.      
  15 Ihre Gestalt ist oben beschrieben. Ihr oberster Beherrscher nennt sich      
  16 Kontaischa. Seine Gewalt erstreckt sich bis Tangut, obgleich einige Horden      
  17 sich unter Rußlands Schutz begeben haben. Im Königreiche Tangut      
  18 blüht noch etwas von den Wissenschaften der alten Mongolen. In Barantola      
  19 oder, wie Andere es nennen, in Potala residirt der große Oberpriester      
  20 der mongolischen Tatarn, ein wahres Ebenbild des Papstes. Die      
  21 Priester dieser Religion, die sich von dieser Gegend der Tatarei bis in das      
  22 chinesische Meer ausgebreitet haben, heißen Lamas; diese Religion scheint      
  23 ein in das blindeste Heidenthum ausgeartetes katholisches Christenthum      
  24 zu sein. Sie behaupten, Gott habe einen Sohn, der in die Welt als Mensch      
  25 gekommen, und in der er bloß als ein Bettler gelebt, sich aber allein damit      
  26 beschäftigt habe, die Menschen selig zu machen. Er sei zuletzt in den      
  27 Himmel erhoben worden. Dieses hat Gmelin aus dem Munde eines      
  28 Lama selbst gehört. Sie haben auch eine Mutter dieses Heilandes, von      
  29 der sie Bildnisse machen. Man sieht bei ihnen auch den Rosenkranz. Die      
  30 Missionarien berichten, daß sie auch ein Dreifaches in dem göttlichen Wesen      
  31 statuiren, und daß der Dalai=Lama ein gewisses Sakrament mit Brod      
  32 und Wein administriren soll, welches aber kein anderer genießt. Dieser      
  33 Lama stirbt nicht, seine Seele belebt ihrer Meinung nach alsbald einen      
  34 Körper, der dem vorigen völlig ähnlich war. Einige Unterpriester geben      
  35 auch vor, von dieser Gottheit beseelt zu sein, und die Chineser nennen einen      
           
     

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