Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 229 |
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01 | Welttheile die größten und schönsten Thiere so wie die besten Pflanzen an. | ||||||
02 | Die furchtsamen Portugiesen besetzen in ihren Nachrichten zwar die schönsten | ||||||
03 | innern Gegenden von Afrika mit Cannibalen oder Menschenfressern, | ||||||
04 | die sogar die Menschen zum Schlachten aufmästen sollen. Allein wir | ||||||
05 | dürfen dergleichen sagen so leicht keinen Glauben beimessen, weil die Erfahrung | ||||||
06 | gelehrt hat, daß jene Leute nur ihre Kriegsgefangenen, die sie | ||||||
07 | lebendig in ihre Gewalt bekommen, und zwar mit den größten Feierlichkeiten | ||||||
08 | abschlachten. | ||||||
09 | Die Zahl der Namen von Ländern und Örtern auf der Karte von | ||||||
10 | Afrika ist sehr beträchtlich; aber man würde sich sehr irren, wenn man | ||||||
11 | glaubte, daß, wo ein Name steht, auch die Sache vorhanden sein müsse. | ||||||
12 | Was man nicht weiter von dem Lande kannte, davon sagte man, es sei | ||||||
13 | von Menschenfressern bewohnt, dergleichen es aber nach der Natur des | ||||||
14 | Menschen wenigstens nicht viele, oder richtiger vielleicht, gar keine giebt. | ||||||
15 | Die Ursache, daß das Innere von Afrika uns so unbekannt ist wie | ||||||
16 | die Länder im Monde, das liegt mehr an uns Europäern als an den | ||||||
17 | Afrikanern, indem wir uns durch den Negerhandel so schüchtern haben | ||||||
18 | machen lassen. Die Küste von Afrika wird zwar von den Europäern besucht, | ||||||
19 | ihre Reisen aber dahin sind sehr gewaltthätig, indem sie jährlich | ||||||
20 | sechuig= bis achtzigtausend Neger von da aus nach Amerika wegführen. So | ||||||
21 | kam es, daß noch ziemlich bis auf die neuern Zeiten herab dieser Welttheil | ||||||
22 | den Europäern kaum auf dreißig Meilen von der Küste hin in das Innere | ||||||
23 | bekannt war. | ||||||
24 | Zu diesen uns noch sehr unbekannten Ländern gehört ferner auch | ||||||
25 | Amerika, dessen nördlicher, nach Rußland zu gelegener Theil noch so gut | ||||||
26 | wie unentdeckt ist, und in dessen südlicher Hälfte gleichfalls, besonders an | ||||||
27 | den brasilischen Küsten, noch viele unbekannte Gegenden vorhanden sind. | ||||||
28 | Mehrentheils sind es die Berge, die von weitern Untersuchungen abschrecken, | ||||||
29 | ungeachtet sie gerade die eigentliche Grundfeste ausmachen und | ||||||
30 | das erste sind, was man im Lande antrifft, daher man nicht ohne Grund | ||||||
31 | vermuthen darf, daß dasjenige Land, welches vor den Bergen näher an | ||||||
32 | dem Wasser hinliegt, von demselben angespült und bei ihnen abgesetzt sei. | ||||||
33 | Daß man aber nur bei den Küsten von Afrika und den äußersten Grenzen | ||||||
34 | anderer Länder stehen geblieben ist, davon scheint wohl eines Theils die | ||||||
35 | Ursache in dem Endzwecke der meisten Schifffahrten, das heißt, in der | ||||||
36 | Habsucht, andern Theils aber in der Unfruchtbarkeit der Ufer gesucht werden | ||||||
37 | zu müssen. | ||||||
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