Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 174 |
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01 | dem ersten Meridian entfernt ist, nämlich wenn wir von Osten | ||||||
02 | aus die Grade zurückzählen. Zählen wir dagegen die östliche Länge | ||||||
03 | ab: so müssen wir mit dem ersten Grade beginnen und von ihm | ||||||
04 | die übrigen Grade herum um die ganze Erde abzählen. Die Länge | ||||||
05 | sollte also ein für allemal und immer entweder bloß östlich oder bloß | ||||||
06 | westlich bestimmt werden. Man ist indessen häufig davon abgegangen, | ||||||
07 | weil es zu weitläuftig schien, immer die ganze Zahl der | ||||||
08 | Grade herumzuzählen. Daher sagt man denn nun auch entweder, | ||||||
09 | Philadelphia hat 40 Grade westliche oder 320 Grade östliche Länge. | ||||||
10 | Außer dem Äquator giebt es noch andere, mit ihm parallel laufende | ||||||
11 | Kreislinien oder Cirkel, deren Zahl sich sehr vergrößern ließe. | ||||||
12 | Sie heißen Tagescirkel ( circuli diurni ). Durch diese Parallelkreise | ||||||
13 | wird die Verschiedenheit der Lage der Länder bestimmt, welche man | ||||||
14 | durch den Namen der Klimate bezeichnet. | ||||||
15 | Örter, die in einem und demselben Parallelkreise liegen, haben | ||||||
16 | einerlei Breite, so wie Örter, die unter einem Meridian liegen, auch | ||||||
17 | eine gleiche Länge haben, und das daher, weil die erstern gleich | ||||||
18 | weit vom Äquator, die letztern aber gleich weit von dem ersten Meridian | ||||||
19 | entfernt sind. | ||||||
20 | Örter, die in einem Parallelkreise befindlich sind, haben ein und | ||||||
21 | dasselbe (wie sich von selbst versteht, geographische, nicht physische) | ||||||
22 | Klima, da hingegen die, welche unter einem Meridian liegen, verschiedene | ||||||
23 | Klimate haben, indem der Meridian durch alle Parallelkreise | ||||||
24 | hinläuft. Gegenden, die sich auf einer verschiedenen Hemisphäre | ||||||
25 | befinden, aber gleich weit von dem Äquator entfernt sind, haben ein | ||||||
26 | gleiches Klima. - Örter, die unter einem Meridian liegen, haben | ||||||
27 | zu einer und derselben Zeit Mittag. Örter aber, die in einem Parallelkreise | ||||||
28 | liegen, haben zwar nicht gleichzeitig Mittag, indessen | ||||||
29 | einerlei Tageslänge, welches wieder nicht im entgegengesetzten Falle | ||||||
30 | von Örtern gilt, die einerlei Meridian haben. Unter dem Äquator, | ||||||
31 | wo die Polhöhe und Ascensionaldifferenz = 0 ist, ist die Länge des | ||||||
32 | Tages sich zu jeder Zeit gleich, und zwar von 12 Stunden. Eine | ||||||
33 | solche gleiche Tag= und Nachtlänge findet aber nur zweimal im Jahre | ||||||
34 | für die seitwärts von dem Äquator nach den Polen hin liegenden | ||||||
35 | Gegenden statt, am 20. März nämlich und am 23. September, wenn | ||||||
36 | die Sonne gerade im Äquator steht. Steigt sie von da aus höher | ||||||
37 | über der nördlichen Halbkugel herauf, so verlängern sich die Tage | ||||||
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