Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 111 |
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01 | §. 36. |
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02 | Analytische und synthetische Sätze. |
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03 | Analytische Sätze heißen solche, deren Gewißheit auf Identität | ||||||
04 | der Begriffe (des Prädicats mit der Notion des Subjects) beruht. Sätze, | ||||||
05 | deren Wahrheit sich nicht auf Identität der Begriffe gründet, müssen synthetische | ||||||
06 | genannt werden. | ||||||
07 | Anmerkung 1. Alles x, welchem der Begriff des Körpers (a+b) zukommt, | ||||||
08 | dem kommt auch die Ausdehnung (b) zu, ist ein Exempel eines analytischen | ||||||
09 | Satzes. | ||||||
10 | Alles x, welchem der Begriff des Körpers (a+b) zukommt, dem kommt | ||||||
11 | auch die Anziehung (c) zu, ist ein Exempel eines synthetischen Satzes. | ||||||
12 | Die synthetischen Sätze vermehren das Erkenntniß materialiter , die analytischen | ||||||
13 | bloß formaliter . Jene enthalten Bestimmungen ( determinationes ), | ||||||
14 | diese nur logische Prädicate. | ||||||
15 | 2. Analytische Principien sind nicht Axiome, denn sie sind discursiv. Und synthetische | ||||||
16 | Principien sind auch nur dann Axiome, wenn sie intuitiv sind. | ||||||
17 | §. 37. |
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18 | Tautologische Sätze. |
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19 | Die Identität der Begriffe in analytischen Urtheilen kann entweder | ||||||
20 | eine ausdrückliche ( explicita ) oder eine nicht=ausdrückliche ( implicita ) | ||||||
21 | sein. Im erstern Falle sind die analytischen Sätze tautologisch. | ||||||
22 | Anmerkung 1. Tautologische Sätze sind virtualiter leer oder folgeleer, denn | ||||||
23 | sie sind ohne Nutzen und Gebrauch. Dergleichen ist z. B. der tautologische | ||||||
24 | Satz: der Mensch ist Mensch. Denn wenn ich vom Menschen nichts weiter | ||||||
25 | zu sagen weiß, als daß er ein Mensch ist: so weiß ich gar weiter nichts von ihm. | ||||||
26 | Implicite identische Sätze sind dagegen nicht folge= oder fruchtleer, denn | ||||||
27 | sie machen das Prädicat, welches im Begriffe des Subjects unentwickelt ( implicite ) | ||||||
28 | lag, durch Entwickelung ( explicatio ) klar. | ||||||
29 | 2. Folgeleere Sätze müssen von sinnleeren unterschieden werden, die darum leer | ||||||
30 | an Verstand sind, weil sie die Bestimmung sogenannter verborgener Eigenschaften | ||||||
31 | ( qualitates occultae ) betreffen. | ||||||
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