Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 094

     
           
 

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  01 Anmerkung 1. Da die allgemeine Logik von allem Inhalte des Erkenntnisses      
  02 durch Begriffe, oder von aller Materie des Denkens abstrahirt: so kann sie den      
  03 Begriff nur in Rücksicht seiner Form, d. h. nur subjectivisch erwägen; nicht      
  04 wie er durch ein Merkmal ein Object bestimmt, sondern nur, wie er auf mehrere      
  05 Objecte kann bezogen werden. Die allgemeine Logik hat also nicht die Quelle      
  06 der Begriffe zu untersuchen; nicht wie Begriffe als Vorstellungen entspringen,      
  07 sondern lediglich, wie gegebene Vorstellungen im Denken      
  08 zu Begriffen werden; diese Begriffe mögen übrigens etwas enthalten, was      
  09 von der Erfahrung hergenommen ist, oder auch etwas Erdichtetes, oder von der      
  10 Natur des Verstandes Entlehntes. - Dieser logische Ursprung der Begriffe      
  11 - der Ursprung ihrer bloßen Form nach - besteht in der Reflexion, wodurch      
  12 eine mehreren Objecten gemeine Vorstellung ( conceptus communis ) entsteht,      
  13 als diejenige Form, die zur Urtheilskraft erfordert wird. Also wird in der      
  14 Logik bloß der Unterschied der Reflexion an den Begriffen betrachtet.      
           
  15 2. Der Ursprung der Begriffe in Ansehung ihrer Materie, nach welcher ein Begriff      
  16 entweder empirisch oder willkürlich oder intellectuell ist, wird in      
  17 der Metaphysik erwogen.      
           
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§. 6.
     
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Logische Actus der Comparation, Reflexion und Abstraction.
     
           
  20 Die logischen Verstandes=Actus, wodurch Begriffe ihrer Form nach      
  21 erzeugt werden, sind:      
           
  22 1) die Comparation, d. i. die Vergleichung der Vorstellungen unter      
  23 einander im Verhältnisse zur Einheit des Bewußtseins;      
           
  24 2) die Reflexion, d. i. die Überlegung, wie verschiedene Vorstellungen      
  25 in einem Bewußtsein begriffen sein können; und endlich      
           
  26 3) Die Abstraction oder die Absonderung alles Übrigen, worin die      
  27 gegebenen Vorstellungen sich unterscheiden.      
           
  28 Anmerkung 1. Um aus Vorstellungen Begriffe zu machen, muß man also compariren,      
  29 reflectiren und abstrahiren können, denn diese drei logischen      
  30 Operationen des Verstandes sind die wesentlichen und allgemeinen Bedingungen      
  31 zu Erzeugung eines jeden Begriffs überhaupt. Ich sehe z. B. eine      
  32 Fichte, eine Weide und eine Linde. Indem ich diese Gegenstände zuvörderst      
  33 unter einander vergleiche, bemerke ich, daß sie von einander verschieden sind in      
  34 Ansehung des Stammes, der Äste, der Blätter u. dgl. m.; nun reflectire ich      
  35 aber hiernächst nur auf das, was sie unter sich gemein haben, den Stamm, die      
           
     

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