Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 062 |
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01 | Grad der Klarheit, ist die Deutlichkeit. Diese besteht in der Klarheit | ||||||
02 | der Merkmale. | ||||||
03 | Wir müssen hier zuvörderst die logische Deutlichkeit überhaupt von | ||||||
04 | der ästhetischen unterscheiden. Die logische beruht auf der objectiven, die | ||||||
05 | ästhetische auf der subjectiven Klarheit der Merkmale. Jene ist eine Klarheit | ||||||
06 | durch Begriffe, diese eine Klarheit durch Anschauung. Die letztere | ||||||
07 | Art der Deutlichkeit besteht also in einer bloßen Lebhaftigkeit und | ||||||
08 | Verständlichkeit, d. h. in einer bloßen Klarheit durch Beispiele in concreto , | ||||||
09 | (denn verständlich kann vieles sein, was doch nicht deutlich ist, und | ||||||
10 | umgekehrt kann Vieles deutlich sein, was doch schwer zu verstehen ist, weil | ||||||
11 | es bis auf entfernte Merkmale zurückgeht, deren Verknüpfung mit der | ||||||
12 | Anschauung nur durch eine lange Reihe möglich ist). | ||||||
13 | Die objective Deutlichkeit verursacht öfters subjective Dunkelheit und | ||||||
14 | umgekehrt. Daher ist die logische Deutlichkeit nicht selten nur zum Nachtheil | ||||||
15 | der ästhetischen möglich und umgekehrt wird oft die ästhetische Deutlichkeit | ||||||
16 | durch Beispiele und Gleichnisse, die nicht genau passen, sondern | ||||||
17 | nur nach einer Analogie genommen werden, der logischen Deutlichkeit | ||||||
18 | schädlich. Überdies sind auch Beispiele überhaupt keine Merkmale und | ||||||
19 | gehören nicht als Theile zum Begriffe, sondern als Anschauungen nur zum | ||||||
20 | Gebrauche des Begriffs. Eine Deutlichkeit durch Beispiele, die bloße | ||||||
21 | Verständlichkeit, ist daher von ganz anderer Art als die Deutlichkeit | ||||||
22 | durch Begriffe als Merkmale. In der Verbindung beider, der ästhetischen | ||||||
23 | oder populären mit der scholastischen oder logischen Deutlichkeit, besteht | ||||||
24 | die Helligkeit. Denn unter einem hellen Kopfe denkt man sich das | ||||||
25 | Talent einer lichtvollen, der Fassungskraft des gemeinen Verstandes | ||||||
26 | angemessenen Darstellung abstracter und gründlicher Erkenntnisse. | ||||||
27 | Was nun hiernächst insbesondre die logische Deutlichkeit betrifft: | ||||||
28 | so ist sie eine vollständige Deutlichkeit zu nennen, sofern alle Merkmale, | ||||||
29 | die zusammen genommen den ganzen Begriff ausmachen, bis zur | ||||||
30 | Klarheit gekommen sind. Ein vollständig oder complet deutlicher Begriff | ||||||
31 | kann es nun hinwiederum sein, entweder in Ansehung der Totalität | ||||||
32 | seiner coordinirten oder in Rücksicht auf die Totalität seiner subordinirten | ||||||
33 | Merkmale. In der totalen Klarheit der coordinirten Merkmale | ||||||
34 | besteht die extensiv vollständige oder zureichende Deutlichkeit eines Begriffs, | ||||||
35 | die auch die Ausführlichkeit heißt. Die totale Klarheit der subordinirten | ||||||
36 | Merkmale macht die intensiv vollständige Deutlichkeit aus, | ||||||
37 | die Profundität. | ||||||
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