Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 051

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 wird, und nicht mit irgend einem Object überhaupt - womit eigentlich      
  02 gar nichts gesagt wäre - übereinstimme. In dieser Übereinstimmung      
  03 einer Erkenntniß mit demjenigen bestimmten Objecte, worauf sie bezogen      
  04 wird, muß aber die materiale Wahrheit bestehen. Denn ein Erkenntniß,      
  05 welches in Ansehung Eines Objectes wahr ist, kann in Beziehung auf      
  06 andre Objecte falsch sein. Es ist daher ungereimt, ein allgemeines materiales      
  07 Kriterium der Wahrheit zu fordern, das von allem Unterschiede der      
  08 Objecte zugleich abstrahiren und auch nicht abstrahiren solle.      
           
  09 Ist nun aber die Frage nach allgemeinen formalen Kriterien      
  10 der Wahrheit, so ist die Entscheidung hier leicht, daß es dergleichen allerdings      
  11 geben könne. Denn die formale Wahrheit besteht lediglich in der      
  12 Zusammenstimmung der Erkenntniß mit sich selbst bei gänzlicher Abstraction      
  13 von allen Objecten insgesammt und von allem Unterschiede derselben.      
  14 Und die allgemeinen formalen Kriterien der Wahrheit sind demnach      
  15 nichts anders als allgemeine logische Merkmale der Übereinstimmung      
  16 der Erkenntniß mit sich selbst oder - welches einerlei ist - mit den allgemeinen      
  17 Gesetzen des Verstandes und der Vernunft.      
           
  18 Diese formalen, allgemeinen Kriterien sind zwar freilich zur objectiven      
  19 Wahrheit nicht hinreichend, aber sie sind doch als die conditio sine      
  20 qua non derselben anzusehen.      
           
  21 Denn vor der Frage: ob die Erkenntniß mit dem Object zusammenstimme,      
  22 muß die Frage vorhergehen, ob sie mit sich selbst (der Form nach)      
  23 zusammenstimme? Und dies ist Sache der Logik.      
           
  24 Die formalen Kriterien der Wahrheit in der Logik sind      
  25 1) der Satz des Widerspruchs,      
  26 2) der Satz des zureichenden Grundes.      
           
  27 Durch den erstern ist die logische Möglichkeit, durch den letztern      
  28 die logische Wirklichkeit eines Erkenntnisses bestimmt.      
  29 Zur logischen Wahrheit eines Erkenntnisses gehört nämlich      
           
  30 Erstlich: daß es logisch möglich sei, d. h. sich nicht widerspreche.      
  31 Dieses Kennzeichen der innerlichen logischen Wahrheit ist aber nur negativ;      
  32 denn ein Erkenntniß, welches sich widerspricht, ist zwar falsch,      
  33 wenn es sich aber nicht widerspricht, nicht allemal wahr.      
           
  34 Zweitens: daß es logisch gegründet sei, d. h. daß es a) Gründe      
  35 habe und b) nicht falsche Folgen habe.      
           
  36 Dieses zweite, den logischen Zusammenhang eines Erkenntnisses mit      
  37 Gründen und Folgen betreffende Kriterium der äußerlichen logischen      
           
     

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