Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 006

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 und klare Begriffe von dem eigenthümlichen Charakter und den gesetzmäßigen      
  02 Grenzen der Logik hat, auch die flüchtigste Vergleichung der ältern      
  03 mit den neuern, nach Kantischen Grundsätzen bearbeiteten Lehrbüchern      
  04 der Logik überzeugen. Denn so sehr sich auch so manche unter den ältern      
  05 Handbüchern dieser Wissenschaft an wissenschaftlicher Strenge in der Methode,      
  06 an Klarheit, Bestimmtheit und Präcision in den Erklärungen und      
  07 an Bündigkeit und Evidenz in den Beweisen auszeichnen mögen: so ist      
  08 doch fast keines darunter, in welchem nicht die Grenzen der verschiedenen,      
  09 zur allgemeinen Logik im weitern Umfange gehörigen Gebiete des bloß      
  10 Propädeutischen, des Dogmatischen und Technischen, des Reinen      
  11 und Empirischen, so in einander und durch einander liefen, da      
  12 sich das eine von dem andern nicht bestimmt unterscheiden läßt.      
           
  13 Zwar bemerkt Herr Jakob in der Vorrede zur ersten Auflage seiner      
  14 Logik: "Wolff habe die Idee einer allgemeinen Logik vortrefflich gefaßt      
  15 und wenn dieser große Mann darauf gefallen wäre, die reine Logik ganz      
  16 abgesondert vorzutragen, so hätte er uns gewiß, vermöge seines systematischen      
  17 Kopfes, ein Meisterstück geliefert, welches alle künftigen Arbeiten dieser      
  18 Art unnütz gemacht hätte." Aber er hat diese Idee nun einmal nicht      
  19 ausgeführt und auch keiner unter seinen Nachfolgern hat sie ausgeführt,      
  20 so groß und wohlgegründet auch übrigens überhaupt das Verdienst ist,      
  21 das die Wolffische Schule um das eigentlich Logische, die formale      
  22 Vollkommenheit in unserm philosophischen Erkenntnisse sich erworben.      
           
  23 Aber abgesehen nun von dem, was in Ansehung der äußern Form      
  24 zu Vervollkommnung der Logik durch die nothwendige Trennung reiner      
  25 und bloß formaler von empirischen und realen oder metaphysischen Sätzen      
  26 noch geschehen konnte und geschehen mußte, so ist, wenn es die Beurtheilung      
  27 und Bestimmung des innern Gehaltes dieser Wissenschaft als      
  28 Wissenschaft gilt, Kant's Urtheil über diesen Punkt nicht zweifelhaft. Er      
  29 hat sich mehreremale bestimmt und ausdrücklich darüber erklärt: daß die      
  30 Logik als eine abgesonderte, für sich bestehende und in sich selbst gegründete      
  31 Wissenschaft anzusehen sei, und daß sie mithin auch seit ihrer Entstehung      
  32 und ersten Ausbildung vom Aristoteles an bis auf unsre Zeiten      
  33 eigentlich nichts an wissenschaftlicher Begründung habe gewinnen können.      
  34 Dieser Behauptung gemäß hat also Kant weder an eine Begründung      
  35 der logischen Principien der Identität und des Widerspruchs selbst durch      
  36 ein höheres Princip noch an eine Deduction der logischen Formen der      
  37 Urtheile gedacht. Er hat das Princip des Widerspruchs als einen Satz      
           
     

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