Kant: AA VIII, Über die Buchmacherei. ... , Seite 435 |
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01 | traten, wie die visionäre Geschichte weiter sagt, theils durch die während | ||||||
02 | der Zeit allmählich fortrückende leidige Aufklärung, theils auch weil | ||||||
03 | eine jede Regierung für das Volk ihre Lasten hat, wo die Austauschung | ||||||
04 | der alten gegen eine neue vor der Hand Erleichterung verspricht, nunmehr | ||||||
05 | Demagogen im Volke auf, und da wurde decretirt, wie folgt: | ||||||
06 | Nämlich im siebenten Gouvernement erwählte nun zwar das Volk | ||||||
07 | den Sohn des vorigen Herzogs. Dieser aber war in Cultur und Luxus | ||||||
08 | mit dem Zeitalter schon fortgerückt und hatte wenig Lust, durch gute | ||||||
09 | Wirthschaft die Wohlhabenheit desselben zu erhalten, desto mehr aber zu | ||||||
10 | genießen. Er ließ daher das alte Schloß verfallen, um Lust= und Jagdhäuser | ||||||
11 | zu festlichen Vergnügungen und Wildhetzen, zur eigenen und des | ||||||
12 | Volks Ergötzlichkeit und Geschmack einzurichten. Das herrliche Theater | ||||||
13 | sammt dem alten silbernen Tafelservice wurden, jenes in große Tanzsäle, | ||||||
14 | dieses in geschmackvolleres Porcelaine verwandelt; unter dem Vorwande, | ||||||
15 | daß das Silber als Geld im Lande einen besseren Umlauf des Handels | ||||||
16 | verspreche. - Im achten fand der nun gut eingegraste, vom Volk bestätigte | ||||||
17 | Regierungserbe es selbst mit Einwilligung des Volks gerathener, | ||||||
18 | das bis dahin gebräuchliche Primogeniturrecht abzuschaffen; denn diesem | ||||||
19 | müsse es doch einleuchten: daß der Erstgeborne darum doch nicht zugleich | ||||||
20 | der Weisestgeborne sei. - Im neunten würde sich das Volk doch bei | ||||||
21 | der Errichtung gewisser im Personal wechselnden Landescollegien besser, | ||||||
22 | als bei der Ansetzung der Regierung mit alten, bleibenden Räthen, die | ||||||
23 | zuletzt gemeiniglich den Despoten spielen, und glücklicher finden; des | ||||||
24 | vorgeschlagenen Erbpastors nicht zu gedenken: als wodurch sich die | ||||||
25 | Obscurantenzunft der Geistlichen verewigen müßte. - Im zehnten | ||||||
26 | wie im eilften, hieß es, ist die Anekelung der Mißheurathen eine Grille | ||||||
27 | der alten Lehnsverfassung zum Nachtheil der durch die Natur geadelten, | ||||||
28 | und es ist vielmehr ein Beweis der Aufkeimung edler Gefühle im Volk, | ||||||
29 | wenn es - wie bei den Fortschritten in der Aufklärung unausbleiblich | ||||||
30 | ist - Talent und gute Denkungsart über die Musterrolle des anerbenden | ||||||
31 | Ranges wegsetzt; - - so wie im zwölften man zwar die | ||||||
32 | Gutmüthigkeit der alten Tante, dem jungen, unmündigen, zum künftigen | ||||||
33 | Herzog muthmaßlich bestimmten Kinde, ehe es noch versteht, was das | ||||||
34 | sagen wolle, belächeln wird; es aber zum Staatsprincip zu machen, ungereimte | ||||||
35 | Zumuthung sein würde. Und so verwandlen sich des Volks | ||||||
36 | Launen, wenn es beschließen darf, sich selbst einen erblichen Gouverneur | ||||||
37 | zu geben, der doch selbst noch Unterthan bleibt, in Mißgestaltungen, die | ||||||
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