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Kant: AA VIII, Zum ewigen Frieden. Ein ... , Seite 375 |
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Text (Kant): |
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01 |
Andern nicht mit Gewalt zuvorkommt, sicher darauf rechnen kann, da |
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dieser ihm zuvorkommen und sich seiner bemächtigen werde. |
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3. Divide et impera. Das ist: sind gewisse privilegirte Häupter in |
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deinem Volk, welche dich blos zu ihrem Oberhaupt ( primus inter pares ) |
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gewählt haben, so veruneinige jene unter einander und entzweie sie mit |
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dem Volk: stehe nun dem letztern unter Vorspiegelung größerer Freiheit |
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bei, so wird alles von deinem unbedingten Willen abhängen. Oder sind |
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es äußere Staaten, so ist Erregung der Mißhelligkeit unter ihnen ein |
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ziemlich sicheres Mittel, unter dem Schein des Beistandes des Schwächeren |
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einen nach dem andern dir zu unterwerfen. |
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Durch diese politische Maximen wird nun zwar niemand hintergangen; |
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denn sie sind insgesammt schon allgemein bekannt; auch ist es |
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mit ihnen nicht der Fall sich zu schämen, als ob die Ungerechtigkeit gar zu |
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offenbar in die Augen leuchtete. Denn weil sich große Mächte nie vor |
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dem Urtheil des gemeinen Haufens, sondern nur eine vor der andern |
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schämen, was aber jene Grundsätze betrifft, nicht das Offenbarwerden, |
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sondern nur das Mißlingen derselben sie beschämt machen kann (denn |
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in Ansehung der Moralität der Maximen kommen sie alle unter einander |
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überein), so bleibt ihnen immer die politische Ehre übrig, auf die sie |
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sicher rechnen können, nämlich die der Vergrößerung ihrer Macht, |
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auf welchem Wege sie auch erworben sein mag*). |
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Aus allen diesen Schlangenwendungen einer unmoralischen Klugheitslehre, |
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den Friedenszustand unter Menschen aus dem kriegerischen |
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des Naturzustandes herauszubringen, erhellt wenigstens so viel: daß die |
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*) Wenn gleich eine gewisse in der menschlichen Natur gewurzelte Bösartigkeit von Menschen, die in einem Staat zusammen leben, noch bezweifelt und statt ihrer der Mangel einer noch nicht weit genug fortgeschrittenen Cultur (die Rohigkeit) zur Ursache der gesetzwidrigen Erscheinungen ihrer Denkungsart mit einigem Scheine angeführt werden möchte, so fällt sie doch im äußeren Verhältniß der Staaten gegen einander ganz unverdeckt und unwidersprechlich in die Augen. Im Innern jedes Staats ist sie durch den Zwang der bürgerlichen Gesetze verschleiert, weil der Neigung zur wechselseitigen Gewaltthätigkeit der Bürger eine größere Gewalt, nämlich die der Regierung, mächtig entgegenwirkt und so nicht allein dem Ganzen einen moralischen Anstrich ( causae non causae ) giebt, sondern auch dadurch, daß dem Ausbruch gesetzwidriger Neigungen ein Riegel vorgeschoben wird, die Entwickelung der moralischen Anlage zur unmittelbaren [Seitenumbruch] Achtung fürs Recht wirklich viel Erleichterung bekommt. - Denn ein jeder glaubt nun von sich, daß er wohl den Rechtsbegriff heilig halten und treu befolgen würde, wenn er sich nur von jedem andern eines Gleichen gewärtigen könnte, welches letztere ihm die Regierung zum Theil sichert; wodurch dann ein großer Schritt zur Moralität (obgleich noch nicht moralischer Schritt) gethan wird, diesem Pflichtbegriff auch um sein selbst willen, ohne Rücksicht auf Erwiederung, anhänglich zu sein. - Da ein jeder aber bei seiner guten Meinung von sich selber doch die böse Gesinnung bei allen anderen voraussetzt, so sprechen sie einander wechselseitig ihr Urtheil: daß sie alle, was das Factum betrifft, wenig taugen (woher es komme, da es doch der Natur des Menschen, als eines freien Wesens, nicht Schuld gegeben werden kann, mag unerörtert bleiben). Da aber doch auch die Achtung für den Rechtsbegriff, deren der Mensch sich schlechterdings nicht entschlagen kann, die Theorie des Vermögens, ihm angemessen zu werden, auf das feierlichste sanctionirt, so sieht ein jeder, daß er seinerseits jenem gemäß handeln müsse, Andere mögen es halten, wie sie wollen. |
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