Kant: AA VIII, Über den Gemeinspruch Das ... , Seite 290

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 die Bedingung ihrer Zusammenstimmung mit der Freiheit von jedermann,      
  02 in so fern diese nach einem allgemeinen Gesetze möglich ist; und das      
  03 öffentliche Recht ist der Inbegriff der äußeren Gesetze, welche eine      
  04 solche durchgängige Zusammenstimmung möglich machen. Da nun jede      
  05 Einschränkung der Freiheit durch die Willkür eines Anderen Zwang heißt:      
  06 so folgt, daß die bürgerliche Verfassung ein Verhältniß freier Menschen      
  07 ist, die (unbeschadet ihrer Freiheit im Ganzen ihrer Verbindung mit anderen)      
  08 doch unter Zwangsgesetzen stehen: weil die Vernunft selbst es so      
  09 will und zwar die reine, a priori gesetzgebende Vernunft, die auf keinen      
  10 empirischen Zweck (dergleichen alle unter dem allgemeinen Namen Glückseligkeit      
  11 begriffen werden) Rücksicht nimmt; als in Ansehung dessen, und      
  12 worin ihn ein jeder setzen will, die Menschen gar verschieden denken, so      
  13 daß ihr Wille unter kein gemeinschaftliches Princip, folglich auch unter      
  14 kein äußeres, mit jedermanns Freiheit zusammenstimmendes Gesetz gebracht      
  15 werden kann.      
           
  16 Der bürgerliche Zustand also, bloß als rechtlicher Zustand betrachtet,      
  17 ist auf folgende Principien a priori gegründet:      
           
  18 1. Die Freiheit jedes Gliedes der Societät, als Menschen.      
  19 2. Die Gleichheit desselben mit jedem Anderen, als Unterthan.      
  20 3. Die Selbstständigkeit jedes Gliedes eines gemeinen Wesens,      
  21 als Bürgers.      
           
  22 Diese Principien sind nicht sowohl Gesetze, die der schon errichtete      
  23 Staat giebt, sondern nach denen allein eine Staatserrichtung reinen Vernunftprincipien      
  24 des äußeren Menschenrechts überhaupt gemäß möglich ist.      
  25 Also:      
           
  26 1. Die Freiheit als Mensch, deren Princip für die Constitution      
  27 eines gemeinen Wesens ich in der Formel ausdrücke: Niemand kann mich      
  28 zwingen auf seine Art (wie er sich das Wohlsein anderer Menschen denkt)      
  29 glücklich zu sein, sondern ein jeder darf seine Glückseligkeit auf dem Wege      
  30 suchen, welcher ihm selbst gut dünkt, wenn er nur der Freiheit Anderer,      
  31 einem ähnlichen Zwecke nachzustreben, die mit der Freiheit von jedermann      
  32 nach einem möglichen allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, (d. i.      
  33 diesem Rechte des Andern) nicht Abbruch thut. - Eine Regierung, die      
  34 auf dem Princip des Wohlwollens gegen das Volk als eines Vaters gegen      
  35 seine Kinder errichtet wäre, d. i. eine väterliche Regierung ( imperium      
  36 paternale ), wo also die Unterthanen als unmündige Kinder, die      
  37 nicht unterscheiden können, was ihnen wahrhaftig nützlich oder schädlich      
           
     

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