Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 208

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Gründe, die nicht Erscheinungen sein sollen, sondern Dinge an sich, blos      
  02 Theile (einfache) der Erscheinungen sind: denn da würde man die Untauglichkeit      
  03 einer solchen Erklärungsart sofort bemerkt haben. Er bedient      
  04 sich also des Worts Gründe: weil Theile doch auch Gründe der Möglichkeit      
  05 eines Zusammengesetzten sind, und da führt er mit der Kritik einerlei      
  06 Sprache, nämlich von den letzten Gründen, die nicht Erscheinungen sind.      
  07 Hätte er aber aufrichtig von Theilen der Erscheinungen, die doch selbst      
  08 nicht Erscheinungen sind, von einem Sinnlichen, dessen Theile doch nichtsinnlich      
  09 sind, gesprochen, so wäre die Ungereimtheit (selbst wenn man die      
  10 Voraussetzung einfacher Theile einräumte) in die Augen gefallen. So      
  11 aber deckt das Wort Grund alles dieses; denn der unbehutsame Leser      
  12 glaubt darunter etwas zu verstehen, was von jenen Anschauungen ganz      
  13 verschieden ist, wie die Kritik will, und überredet sich ein Vermögen der      
  14 Erkenntniß des Übersinnlichen durch den Verstand selbst an den Gegenständen      
  15 der Sinne bewiesen zu finden.      
           
  16 Es kommt vornehmlich in der Beurtheilung dieser Täuschung darauf      
  17 an, daß der Leser sich dessen wohl erinnere, was über die Eberhard'sche      
  18 Deduction von Raum und Zeit und so auch der Sinnenerkenntniß überhaupt      
  19 von uns gesagt worden. Nach ihm ist etwas nur so lange Sinnenerkenntniß      
  20 und das Object derselben Erscheinung, als die Vorstellung      
  21 desselben Theile enthält, die nicht, wie er sich ausdrückt, empfindbar sind,      
  22 d. i. in der Anschauung mit Bewußtsein wahrgenommen werden. Sie      
  23 hört flugs auf sinnlich zu sein, und der Gegenstand wird nicht mehr als      
  24 Erscheinung, sondern als Ding an sich selbst erkannt, mit einem Worte,      
  25 es ist nunmehr das Noumenon, so bald der Verstand die ersten Gründe      
  26 der Erscheinung, welche nach ihm dieser ihre eigene Theile sein sollen, einsieht      
  27 und entdeckt. Es ist also zwischen einem Dinge als Phänomen und      
  28 der Vorstellung des ihm zum Grunde liegenden Noumens kein anderer      
  29 Unterschied, als zwischen einem Haufen Menschen, die ich in großer Ferne      
  30 sehe, und eben demselben, wenn ich ihm so nahe bin, daß ich die einzelnen      
  31 zählen kann; nur daß er behauptet, wir könnten ihm nie so nahe      
  32 kommen, welches aber keinen Unterschied in den Sachen, sondern nur in      
  33 dem Grade unseres Wahrnehmungsvermögens, welches hiebei der Art nach      
  34 immer dasselbe bleibt, ausmacht. Wenn dieses wirklich der Unterschied      
  35 ist, den die Kritik in ihrer Ästhetik mit so großem Aufwande zwischen der      
  36 Erkenntniß der Dinge als Erscheinungen und dem Begriffe von ihnen nach      
  37 dem, was sie als Dinge an sich selbst sind, macht, so wäre diese Unterscheidung      
           
     

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