Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 197 |
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01 | Urtheil, welches wir als Satz irgend wovon fällen, oder auch ein jedes | ||||||
02 | Ding bedeuten kann. Wird er in der ersten Bedeutung genommen (da er | ||||||
03 | so lauten müßte: ein jeder Satz hat seinen Grund), so ist er nicht allein | ||||||
04 | allgemein wahr, sondern auch unmittelbar aus dem Satze des Widerspruchs | ||||||
05 | gefolgert; dieses würde aber, wenn unter Alles ein jedes Ding | ||||||
06 | verstanden würde, eine ganz andere Beweisart erfordern. | ||||||
07 | Zweitens fehlt dem Beweise Einheit. Er besteht aus zwei Beweisen. | ||||||
08 | Der erste ist der bekannte Baumgartensche Beweis, auf den sich jetzt wohl | ||||||
09 | niemand mehr berufen wird, und der da, wo ich den Gedanken=Strich gezogen | ||||||
10 | habe, völlig zu Ende ist, außer daß die Schlußformel fehlt (welches | ||||||
11 | sich widerspricht), die aber ein jeder hinzudenken muß. Unmittelbar hierauf | ||||||
12 | folgt ein anderer Beweis, der durch das Wort aber als ein bloßer | ||||||
13 | Fortgang in der Kette der Schlüsse, um zum Schlußsatze des ersteren zu | ||||||
14 | gelangen, vorgetragen wird und doch, wenn man das Wort aber wegläßt, | ||||||
15 | allein einen für sich bestehenden Beweis ausmacht; wie er denn auch mehr | ||||||
16 | bedarf, um in dem Satze, daß etwas ohne Grund sei, einen Widerspruch | ||||||
17 | zu finden, als der erstere, welcher ihn unmittelbar in diesem Satze selbst | ||||||
18 | fand: da dieser hingegen noch den Satz hinzusetzen muß, daß nämlich alsdann | ||||||
19 | auch das Gegentheil dieses Dinges ohne Grund sein würde, um | ||||||
20 | einen Widerspruch herauszukünsteln, folglich ganz anders als der Baumgartensche | ||||||
21 | Beweis geführt wird, der doch von ihm ein Glied sein sollte. | ||||||
22 | Drittens ist die neue Wendung, die Herr Eberhard seinem Beweise | ||||||
23 | zu geben gedachte, S. 164 sehr verunglückt; denn der Vernunftschluß, | ||||||
24 | durch den dieser sich wendet, geht auf vier Füßen. - Er lautet, wenn man | ||||||
25 | ihn in syllogistische Form bringt, so: | ||||||
26 | Ein Wind, der sich ohne Grund nach Osten bewegt, konnte sich (statt | ||||||
27 | dessen) eben so gut nach Westen bewegen: | ||||||
28 | Nun bewegt sich (wie der Gegner des Satzes des zureichenden Grundes | ||||||
29 | vorgiebt) der Wind ohne Grund nach Osten. | ||||||
30 | Folglich kann er sich zugleich nach Osten und Westen bewegen | ||||||
31 | (welches sich widerspricht). Daß ich mit völligem Fug und Recht in den | ||||||
32 | Obersatz die Worte: statt dessen, einschalte, ist klar; denn ohne diese Einschränkung | ||||||
33 | im Sinne zu haben, kann niemand den Obersatz einräumen. | ||||||
34 | Wenn jemand eine gewisse Summe auf einen Glückswurf setzt und gewinnt, | ||||||
35 | so kann der, welcher ihm das Spiel abrathen will, gar wohl sagen: | ||||||
36 | er hätte eben so gut einen Fehler werfen und so viel verlieren können, aber | ||||||
37 | nur anstatt des Treffers, nicht Fehler und Treffer in demselben Wurfe | ||||||
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