Kant: AA VIII, Über den Gebrauch ... , Seite 178 |
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01 | die allem Ansehen nach allererst nach längst vollendeter Wirkung der Natur | ||||||
02 | bevölkert worden, zu suchen haben. | ||||||
03 | Soviel zur Vertheidigung meines Begriffs von der Ableitung | ||||||
04 | der erblichen Mannigfaltigkeit organischer Geschöpfe einer und derselben | ||||||
05 | Naturgattung ( Species naturalis , so fern sie durch ihr Zeugungsvermögen | ||||||
06 | in Verbindung stehen und von einem Stamme entsprossen | ||||||
07 | sein*) können) zum Unterschiede von der Schulgattung ( Species | ||||||
08 | artificialis , so fern sie unter einem gemeinschaftlichen Merkmale der | ||||||
09 | bloßen Vergleichung stehen), davon die erstere zur Naturgeschichte, | ||||||
10 | die zweite zur Naturbeschreibung gehört. Jetzt noch etwas über das | ||||||
11 | eigne System des Hrn. F. von dem Ursprunge desselben. Darin sind | ||||||
12 | wir beide einig, daß alles in einer Naturwissenschaft natürlich müsse erklärt | ||||||
13 | werden, weil es sonst zu dieser Wissenschaft nicht gehören würde. | ||||||
14 | Diesem Grundsatze bin ich so sorgfältig gefolgt, daß auch ein scharfsinniger | ||||||
15 | Mann (Hr. O. C. R. Büsching in der Recension meiner obgedachten | ||||||
16 | Schrift) wegen der Ausdrücke von Absichten, von Weisheit und Vorsorge etc. | ||||||
17 | der Natur mich zu einem Naturalisten, doch mit dem Beisatze von eigner | ||||||
18 | Art macht, weil ich in Verhandlungen, welche die bloße Naturkenntnisse | ||||||
19 | und, wieweit diese reichen, angehen (wo es ganz schicklich ist, sich teleologisch | ||||||
20 | auszudrücken), es nicht rathsam finde eine theologische Sprache | ||||||
21 | zu führen; um jeder Erkenntnißart ihre Grenzen ganz sorgfältig zu bezeichnen. | ||||||
23 | Allein ebenderselbe Grundsatz, daß alles in der Naturwissenschaft | ||||||
24 | natürlich erklärt werden müsse, bezeichnet zugleich die Grenzen derselben. | ||||||
*) Zu einem und demselben Stamme zu gehören bedeutet nicht sofort von einem einzelnen ursprünglichen Paare erzeugt zu sein; es will nur soviel sagen: die Mannigfaltigkeiten, die jetzt in einer gewissen Thiergattung anzutreffen sind, dürfen darum nicht als so viel ursprüngliche Verschiedenheiten angesehen werden. Wenn nun der erste Menschenstamm aus noch so viel Personen (beiderlei Geschlechts), die aber alle gleichartig waren, bestand, so kann ich eben so gut die jetzigen Menschen von einem einzigen Paare, als von vielen derselben ableiten. Hr. F. hält mich im Verdacht, daß ich das letztere als ein Factum und zwar zufolge einer Autorität behaupten wolle; allein es ist nur die Idee, die ganz natürlich aus der Theorie folgt. Was aber die Schwierigkeit betrifft, daß wegen der reißenden Thiere das menschliche Geschlecht mit seinem Anfange von einem einzigen Paare schlecht gesichert gewesen sein würde, so kann ihm diese keine sonderliche Mühe machen. Denn seine allgebärende Erde durfte dieselbe nur später als die Menschen hervorgebracht haben. | |||||||
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