Kant: AA VIII, Recensionen von J. G. Herders ... , Seite 062 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | menschlichen Natur gehörigen Nachrichten vornehmlich diejenigen ausgehoben | ||||||
02 | hätte, darin sie einander widersprechen, und sie (doch mit beigefügten | ||||||
03 | Erinnerungen wegen der Glaubwürdigkeit jedes Erzählers) neben einander | ||||||
04 | gestellt hätte; denn so würde niemand sich so dreist auf einseitige | ||||||
05 | Nachrichten fußen, ohne vorher die Berichte anderer genau abgewogen zu | ||||||
06 | haben. Jetzt aber kann man aus einer Menge von Länderbeschreibungen, | ||||||
07 | wenn man will, beweisen, daß Amerikaner, Tibetaner und andere ächte | ||||||
08 | mongolische Völker keinen Bart haben, aber auch, wem es besser gefällt, | ||||||
09 | daß sie insgesammt von Natur bärtig sind und sich diesen nur ausrupfen; | ||||||
10 | daß Amerikaner und Neger eine in Geistesanlagen unter die übrigen | ||||||
11 | Glieder der Menschengattung gesunkene Race sind, andererseits aber nach | ||||||
12 | eben so scheinbaren Nachrichten, daß sie hierin, was ihre Naturanlage betrifft, | ||||||
13 | jedem andern Weltbewohner gleich zu schätzen sind, mithin dem | ||||||
14 | Philosophen die Wahl bleibe, ob er Naturverschiedenheiten annehmen, oder | ||||||
15 | alles nach dem Grundsatze tout comme chez nous beurtheilen will, dadurch | ||||||
16 | denn alle seine über eine so wankende Grundlage errichtete Systeme den | ||||||
17 | Anschein baufälliger Hypothesen bekommen müssen. Der Eintheilung der | ||||||
18 | Menschengattung in Racen ist unser Verfasser nicht günstig, vornehmlich | ||||||
19 | derjenigen nicht, welche sich auf anerbende Farben gründet, vermuthlich | ||||||
20 | weil der Begriff einer Race ihm noch nicht deutlich bestimmt ist. In des | ||||||
21 | siebenten Buches dritter Nummer nennt er die Ursache der klimatischen | ||||||
22 | Verschiedenheit der Menschen eine genetische Kraft. Rec. macht sich von | ||||||
23 | der Bedeutung dieses Ausdrucks im Sinne des Verf. diesen Begriff. Er | ||||||
24 | will einerseits das Evolutionssystem, andererseits aber auch den blos mechanischen | ||||||
25 | Einfluß äußerer Ursachen als untaugliche Erläuterungsgründe | ||||||
26 | abweisen und nimmt ein innerlich nach Verschiedenheit der äußeren Umstände | ||||||
27 | sich selbst diesen angemessen modificirendes Lebensprincip als die | ||||||
28 | Ursache derselben an, worin ihm Recensent völlig beitritt, nur mit dem | ||||||
29 | Vorbehalt, daß, wenn die von innen organisirende Ursache durch ihre | ||||||
30 | Natur etwa nur auf eine gewisse Zahl und Grad von Verschiedenheiten | ||||||
31 | der Ausbildung ihres Geschöpfs eingeschränkt wäre (nach deren Ausrichtung | ||||||
32 | sie nicht weiter frei wäre, um bei veränderten Umständen nach einem | ||||||
33 | anderen Typus zu bilden), man diese Naturbestimmung der bildenden | ||||||
34 | Natur auch wohl Keime oder ursprüngliche Anlagen nennen könnte, ohne | ||||||
35 | darum die erstern als uranfänglich eingelegte und sich nur gelegentlich auseinander | ||||||
36 | faltende Maschinen und Knospen (wie im Evolutionssystem) | ||||||
37 | anzusehen, sondern wie bloße, weiter nicht erklärliche Einschränkungen eines | ||||||
[ Seite 061 ] [ Seite 063 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |