Kant: AA VIII, Recensionen von J. G. Herders ... , Seite 055

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Gange nothwendig verbunden sei, noch mehr aber, wie eine blos auf      
  02 diesen Zweck gerichtete Organisation den Grund des Vernunftvermögens      
  03 enthalte, dessen das Thier dadurch theilhaftig wird, das übersteigt offenbar      
  04 alle menschliche Vernunft, sie mag nun am physiologischen Leitfaden      
  05 tappen, oder am metaphysischen fliegen wollen.      
           
  06 Durch diese Erinnerungen soll indessen diesem so gedankenvollen      
  07 Werke nicht alles Verdienst benommen werden. Ein vorzügliches darin      
  08 ist (um hier nicht so mancher eben so schön gesagten, als edel und wahr      
  09 gedachten Reflexionen zu gedenken) der Muth, mit welchem sein Verfasser      
  10 die alle Philosophie so oft verengenden Bedenklichkeiten seines Standes in      
  11 Ansehung bloßer Versuche der Vernunft, wieweit sie für sich selbst wohl      
  12 gelangen könne, zu überwinden gewußt hat, worin wir ihm viele Nachfolger      
  13 wünschen. Überdem trägt die geheimnißvolle Dunkelheit, in welche      
  14 die Natur selbst ihre Geschäfte der Organisation und der Classenvertheilung      
  15 ihrer Geschöpfe einhüllte, einen Theil der Schuld wegen der      
  16 Dunkelheit und Ungewißheit, die diesem ersten Theile einer philosophischen      
  17 Menschengeschichte anhängen, der dazu angelegt war, um die      
  18 äußersten Enden derselben, den Punkt, von dem sie anhob, und den, da sie      
  19 sich über die Erdgeschichte hinaus im Unendlichen verliert, wo möglich an      
  20 einander zu knüpfen; welcher Versuch zwar kühn, aber doch dem Forschungstriebe      
  21 unserer Vernunft natürlich und selbst bei nicht völlig gelingender      
  22 Ausführung nicht unrühmlich ist. Desto mehr aber ist zu wünschen,      
  23 daß unser geistvoller Verfasser in der Fortsetzung des Werks, da er einen      
  24 festen Boden vor sich finden wird, seinem lebhaften Genie einigen Zwang      
  25 auflege, und daß Philosophie, deren Besorgung mehr im Beschneiden als      
  26 Treiben üppiger Schößlinge besteht, ihn nicht durch Winke, sondern bestimmte      
  27 Begriffe, nicht durch Gemuthmaßte, sondern beobachtete Gesetze,      
  28 nicht vermittelst einer, es sei durch Metaphysik, oder durch Gefühle, beflügelten      
  29 Einbildungskraft, sondern durch eine im Entwurfe ausgebreitete,      
  30 aber in der Ausübung behutsame Vernunft zur Vollendung seines Unternehmens      
  31 leiten möge.      
           
           
     

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