Kant: AA VIII, Recensionen von J. G. Herders ... , Seite 046

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Unser Verfasser hebt damit an, die Aussicht zu erweitern, um dem      
  02 Menschen seine Stelle unter den übrigen Planetenbewohnern unserer      
  03 Sonnenwelt anzuweisen, und schließt aus dem mittleren, nicht unvortheilhaften      
  04 Stande des Weltkörpers, den er bewohnt, auf einen bloß "mittelmäßigen      
  05 Erdverstand und eine noch viel zweideutigere Menschentugend, darauf      
  06 er hier zu rechnen habe, die aber doch - da unsere Gedanken und      
  07 Kräfte offenbar nur aus unserer Erdorganisation keimen und sich so lange      
  08 zu verändern und verwandeln streben, bis sie etwa zur Reinigkeit und Feinheit      
  09 gediehen sind, die diese unsere Schöpfung gewähren kann, und, wenn      
  10 Analogie unsere Führerin sein darf, es auf anderen Sternen nicht anders      
  11 sein werde - vermuthen lassen, daß der Mensch mit den Bewohnern der      
  12 letzteren Ein Ziel haben werde, um endlich nicht allein einen Wandelgang      
  13 auf mehr als einen Stern anzutreten, sondern vielleicht gar zum Umgange      
  14 mit allen zur Reife gekommenen Geschöpfen so vieler und verschiedener      
  15 Schwesterwelten zu gelangen." Von da geht die Betrachtung zu den Revolutionen,      
  16 welche der Erzeugung der Menschen vorher gingen. "Ehe unsere      
  17 Luft, unser Wasser, unsere Erde hervorgebracht werden konnte, waren      
  18 mancherlei einander auflösende, niederschlagende Stamina nöthig; und      
  19 die vielfachen Gattungen der Erde, der Gesteine, der Krystallisationen,      
  20 sogar der Organisation in Muscheln, Pflanzen, Thieren, zuletzt im Menschen,      
  21 wie viel Auflösungen und Revolutionen des Einen in das Andere      
  22 setzten die nicht voraus? Er, der Sohn aller Elemente und Wesen, ihr      
  23 auserlesenster Inbegriff und gleichsam die Blüthe der Erdschöpfung,      
  24 konnte nichts anders als das letzte Schooßkind der Natur sein, zu dessen      
  25 Bildung und Empfang viel Entwickelungen und Revolutionen vorhergehen      
  26 mußten."      
           
  27 In der Kugelgestalt der Erde findet er einen Gegenstand des Erstaunens      
  28 über die Einheit, die sie bei aller erdenklichen Mannigfaltigkeit      
  29 veranlaßt. "Wer, der diese Figur je beherzigt hätte, wäre hingegangen,      
  30 zu einem Wortglauben in Philosophie und Religion zu bekehren, oder dafür      
  31 mit dumpfem, aber heiligem Eifer zu morden?" Eben so giebt ihm die      
  32 Schiefe der Ekliptik Anlaß zur Betrachtung der Menschenbestimmung:      
  33 "Unter unserer schräge gehenden Sonne ist alles Thun der Menschen Jahresperiode."      
  34 Die nähere Kenntniß des Luftkreises, selbst der Einfluß der      
  35 Himmelskörper auf denselben, wenn er näher gekannt sein wird, scheint      
  36 ihm auf die Geschichte der Menschheit einen großen Einfluß zu versprechen.      
  37 In dem Abschnitt von der Vertheilung des Landes und der Meere wird      
           
     

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