Kant: AA VIII, Idee zu einer allgemeinen ... , Seite 018

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 bei hin und wieder anscheinender Weisheit im Einzelnen doch endlich alles      
  02 im Großen aus Thorheit, kindischer Eitelkeit, oft auch aus kindischer Bosheit      
  03 und Zerstörungssucht zusammengewebt findet: wobei man am Ende      
  04 nicht weiß, was man sich von unserer auf ihre Vorzüge so eingebildeten      
  05 Gattung für einen Begriff machen soll. Es ist hier keine Auskunft für den      
  06 Philosophen, als daß, da er bei Menschen und ihrem Spiele im Großen      
  07 gar keine vernünftige eigene Absicht voraussetzen kann, er versuche, ob      
  08 er nicht eine Naturabsicht in diesem widersinnigen Gange menschlicher      
  09 Dinge entdecken könne; aus welcher von Geschöpfen, die ohne eigenen      
  10 Plan verfahren, dennoch eine Geschichte nach einem bestimmten Plane      
  11 der Natur möglich sei. - Wir wollen sehen, ob es uns gelingen werde,      
  12 einen Leitfaden zu einer solchen Geschichte zu finden, und wollen es dann      
  13 der Natur überlassen, den Mann hervorzubringen, der im Stande ist, sie      
  14 darnach abzufassen. So brachte sie einen Kepler hervor, der die eccentrischen      
  15 Bahnen der Planeten auf eine unerwartete Weise bestimmten Gesetzen      
  16 unterwarf, und einen Newton, der diese Gesetze aus einer allgemeinen      
  17 Naturursache erklärte.      
           
  18
Erster Satz.
     
           
  19 Alle Naturanlagen eines Geschöpfes sind bestimmt, sich      
  20 einmal vollständig und zweckmäßig auszuwickeln. Bei allen      
  21 Thieren bestätigt dieses die äußere sowohl, als innere oder zergliedernde      
  22 Beobachtung. Ein Organ, das nicht gebraucht werden soll, eine Anordnung,      
  23 die ihren Zweck nicht erreicht, ist ein Widerspruch in der teleologischen      
  24 Naturlehre. Denn wenn wir von jenem Grundsatze abgehen, so      
  25 haben wir nicht mehr eine gesetzmäßige, sondern eine zwecklos spielende      
  26 Natur; und das trostlose Ungefähr tritt an die Stelle des Leitfadens der      
  27 Vernunft.      
           
  28
Zweiter Satz.
     
           
  29 Am Menschen (als dem einzigen vernünftigen Geschöpf auf Erden)      
  30 sollten sich diejenigen Naturanlagen, die auf den Gebrauch      
  31 seiner Vernunft abgezielt sind, nur in der Gattung, nicht aber      
  32 im Individuum vollständig entwickeln. Die Vernunft in einem      
  33 Geschöpfe ist ein Vermögen, die Regeln und Absichten des Gebrauchs      
  34 aller seiner Kräfte weit über den Naturinstinct zu erweitern, und kennt      
           
     

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